Rachsucht
stiegen Menschen die Treppe zum Pfarrbüro hinauf. Zugleich sah ich aus dem Augenwinkel in dem dämmrigen Bogengang neben dem Glockenturm eine massige Gestalt in Schwarz, die sich rasch bewegte. Utley.
Ich schrie um Hilfe. Schrie noch einmal, noch lauter.
Eine Frau drehte sich um und entdeckte mich. So schnell ich konnte, hastete ich auf die Gruppe zu. Utley wurde langsamer, machte kehrt und verschwand. Die beiden hatten mich aufgegeben und setzten sich ab. Nun würden sie sich Adam vornehmen.
Ich holte die Sportkarre aus dem Streifenwagen, der mich und Thea nach Hause gebracht hatte, und bedankte mich.
Thea winkte den Beamten nach. Auf der anderen Straßenseite spähte Helen Potts durch die Jalousien.
Ich ging direkt zu ihrer Tür und klopfte. Fest in ihre Strickjacke gewickelt, öffnete sie.
»Miss Pott, können Sie bitte auf Thea aufpassen, bis Carl und Nikki nach Hause kommen? Bei mir ist sie nicht sicher«, sagte ich.
Sie zuckte nicht mit der Wimper, sondern streckte sofort die Hände nach dem Baby aus. »Komm zu mir, Süße.«
»Miss Delaney!«, rief sie mir nach, als ich im Laufschritt davontrabte. »Hat das was mit dem goldenen Auto zu tun, das ständig hier parkt?«
Wie angewurzelt blieb ich stehen.
»Im Augenblick sehe ich es nicht, aber es war die ganze Woche immer wieder mal da. Ab und zu sitzt ein Mann am Steuer und beobachtet Ihr Haus.«
Ein eisiger Schauer überlief mich. »Schließen Sie Ihre Türen ab.«
Das musste Brand gewesen sein.
Adams Telefon war ständig belegt. Als ich das Warten nicht mehr ertrug, fuhr ich zu seinem Haus.
Sein Pick-up stand in der gleißenden Sonne in der Einfahrt, und der Wind raschelte in den Manzanita-Büschen vor der Haustür. Ich klopfte. Keine Reaktion, obwohl ich im Haus den Fernseher hörte.
Ich klopfte erneut. »Adam?«
Durch ein Fenster sah ich, dass im Wohnzimmer ein Sportprogramm im Fernsehen lief. Die Tür war nicht abgesperrt. Ich öffnete.
»Ich bin es, Evan. Bist du da?«
Ich bewegte mich Richtung Wohnzimmer.
»Adam, geht es dir gut?«
Eine der dümmsten Fragen aller Zeiten. Er saß auf einem Hocker vor dem Fernseher und schaute sich ein Video an. Einen Sportbericht. Hinter den Reportern schimmerte ein Schwimmbecken.
Neben Adams Hocker stand ein mit »Isaac« beschrifteter Karton, der Videos, CDs und allen möglichen Kram enthielt.
»Hat Jesse dich geschickt?«, fragte er. »Ich kann nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht mit ihm reden.«
Das traf mich, obwohl ich Jesse vor vierundzwanzig Stunden selbst den Rücken gekehrt hatte.
»Ich will dich warnen«, sagte ich. »I-Heist hat dich im Visier.«
Er blickte auf. »Lässt Jesse mir das ausrichten?«
»Nein. Diese Leute haben uns beide aufs Korn genommen, Adam. Sie benutzen uns, um Jesse unter Druck zu setzen.«
»Und weswegen?«
»Das sagt er dir am besten selbst.«
Seine Augen verdüsterten sich. »Also hat er dich doch geschickt.«
Auf dem Bildschirm wurde Text eingeblendet: 4 x 100-Meter-Freistil-Staffel der Männer. Texas, Stanford, Auburn, University of California Santa Barbara … Es war die US-Meisterschaft der Universitäten. Die Kamera schwenkte zu den Teams, die an den Start gingen. Entschlossene junge Sportler erschienen im Bild, die sehr konzentriert wirkten, während die Menge tobte und jubelte und mit den Füßen trampelte. Auf den Tribünen wurden Transparente geschwenkt.
Adam wandte sich keine Sekunde vom Bildschirm ab.
»Hör mal, ich will, dass du Türen und Fenster sicherst und die Augen offenhältst«, sagte ich. »Sie haben irgendwas mit dir vor.«
»Wollen sie mich auch um die Ecke bringen?«
Resigniert hob ich die Hände. »Dann mach ich es eben selbst.« Ich schloss die Fenster im Wohnzimmer. »Spar dir deinen Sarkasmus. Diese Leute sind gefährlich.«
Er lachte. Es war ein furchtbares, freudloses Lachen. »Du meinst, das ist mir noch nicht aufgefallen? Die haben meinen Bruder auf dem Gewissen.«
Im Fernsehen stiegen die ersten Schwimmer auf die Startblöcke. Sie rollten die Schultern, rückten die Schwimmbrillen zurecht und versuchten, die Muskeln zu lockern. Über den Bildschirm liefen Namen. University of California Santa Barbara: Matsuda, Sandoval, Sandoval, Blackburn.
Ich schloss die Schiebetür ab. »Du bist nirgends sicher, nicht zu Hause, nicht im Auto, nicht auf dem Campus.«
»Keine Sorge. Ich kann auf mich aufpassen. Mit meiner Harpune könnte ich einen weißen Hai erlegen.«
Ich war mit meiner Runde fertig und
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