Radau im Reihenhaus
brachte kleine Aufmerksamkeiten mit in Form von Selbstgebackenem oder auch Gekauftem, und jedem erzählte sie, daß sie bald Silberhochzeit habe und natürlich alle Nachbarn einladen werde.
»Verwandte haben wir nicht, unser Sohn besucht uns nur ganz selten, aber so eine Silberhochzeit ist doch etwas Einmaliges, und deshalb werden wir sie ganz groß feiern. Sie kommen doch auch, nicht wahr?«
Festlegen wollte ich mich nicht. »Bis zum Juni dauert’s ja noch ein Weilchen«, sagte ich und beschloß, das erst einmal mit Dorle zu besprechen.
»So viel Zeit bleibt gar nicht mehr«, meinte Frau Körngen eifrig, »das Fest muß doch gründlich vorbereitet werden.«
Und sie bereitete es vor. Täglich berichtete sie uns der Reihe nach von den Fortschritten, bat um Ratschläge, welche Torten denn wohl genehm wären und wieviel verschiedene Weinsorten sie besorgen müßte, und wenn jemand von uns zum Einkaufen ging, schloß sie sich meistens an. Am liebsten begleitete sie Frau Heinze. »Sie kennt ja jedes Geschäft und fast alle Ladenbesitzer persönlich. Man wird dann ganz anders behandelt.«
Mir war nur aufgefallen, daß die Kassiererinnen, mit denen ich sonst immer ein bißchen herumgealbert hatte, betont sachlich und reserviert wurden, sobald ich mit Frau Körngen zusammen den Supermarkt betrat. Dorle hatte das auch schon bemerkt.
»Als ich gestern sechs Brötchen eingetütet hatte, mußte ich sie an der Kasse einzeln auspacken. Das ist mir noch nie passiert! Ich war richtig empört! Wenn ich sage, da sind sechs Brötchen drin, dann sind es auch sechs!«
»Vielleicht haben die einen neuen Filialleiter bekommen. Die Angestellten können doch nichts dafür, wenn jetzt ein schärferer Wind weht. Sie tun ja nur ihre Pflicht,« vermutete Frau Heinze, und damit hatte sie wohl recht. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, als ob ich neuerdings von allen Verkäuferinnen, und das nicht nur im Supermarkt, mißtrauisch beobachtet wurde.
Eines Tages kam Michael mit der Neuigkeit zu mir, die Millionärssiedlung würde nunmehr um eine Zirkusfamilie bereichert werden. »Sie zieht in das dritte Haus von der letzten Reihe, direkt neben die beiden Krankenschwestern.«
»Glaub ich nicht! Zirkusleute leben doch in ihren Wohnwagen.«
»Aber irgendwo müssen sie ja auch im Winter bleiben.«
»Jetzt geht es doch erst mal in den Sommer!«
»Na, und wenn schon. Vielleicht stellen sie auch nur ein paar Möbel ab oder so. Jedenfalls haben sie schon im Garten Futter für die Ponys und Lamas angebaut«, behauptete Michael. »Oder haben Sie das große Feld mit der Luzerne noch nicht gesehen?«
Aufgefallen war es mir schon, aber ich hatte das Viehfutter mangels einschlägiger Kenntnisse für eine neue Art von Rasen gehalten. Viel mehr als grüne Spitzen waren ja auch noch nicht aus dem Boden gekommen, als ich vor Wochen einmal hinter der letzten Häuserzeile spazierengegangen war. Obwohl inzwischen vier von den sechs Häusern bezogen waren, kannte ich noch nicht einmal die Namen ihrer Bewohner. Ich sah sie kaum, weil wir ja keinen Blickkontakt hatten, und wir »Alteingesessenen« unternahmen auch gar keine Kommunikationsversuche. Anfangs hatte sich wenigstens noch Frau Heinze für ihre »Hintermänner« interessiert, aber sie waren wohl doch nicht das gewesen, was sie sich erhofft hatte. Vielleicht waren die Zirkusleute mehr nach ihrem Geschmack.
»Der Michael ist so blöd, wie er lang ist!« sagte sie kopf- schüttelnd. »Eine alte Dame zieht dort ein mit zwei erwachsenen Söhnen. Ich habe sie schon kennengelernt.«
»Aber was bedeutet dann das Pferdefutter?«
»Ökologie. Oder Agronomie. So genau habe ich das nicht mitgekriegt. Der eine Sohn studiert nämlich Landwirtschaft und hat gelernt, daß die Aussaat von Luzerne die beste Bodenvorbereitung ist für Rasen und Zierpflanzen. Unkraut soll dann auch nicht mehr wachsen.«
»Erzählen Sie das bloß nicht meinem Mann!« sagte ich erschrocken. »Der kriegt es fertig und fängt noch mal ganz von vorne an. Dabei habe ich mich gerade entschlossen, auch das Unkraut zu lieben, damit ich wenigstens in diesem Jahr mal unseren Liegestuhl benutzen kann.«
Ein paar Tage später kam sie morgens aufgeregt über die Terrasse ins Wohnzimmer gestürzt. Ich schälte Kartoffeln und hörte mir nebenher im Radio eine Sendung zur kommenden Bundestagswahl an. Wahlen finde ich herrlich! Was sich da alles für Männer um uns Frauen bemühen…!
Energisch drückte Frau Heinze den Ausschaltknopf. »Wissen
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