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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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seien.
    »Es kommt nur noch ganz selten vor, daß jemand abgeschlachtet und aufgegessen wird«, sagte sie fröhlich.
    »Ja, haben Sie denn mitten unter Kannibalen gelebt?« fragte ich entsetzt.
    »Nicht direkt Kannibalen, aber diese armen Eingeborenen waren ja so schrecklich unwissend und glaubten, die Kraft ihrer Feinde würde auf jeden übertragen, der sie aufißt.«
    »Und Sie haben keine Angst gehabt?«
    »Ach nein, überhaupt nicht. Sie waren ja alle so reizend in ihrer Unwissenheit.«
    Ich kam zu dem Schluß, daß Straatmanns auch Tiger und Schlangen reizend gefunden haben müssen, weil die netten Tierchen ja auch nicht wissen konnten, daß ein Biß von ihnen tödlich ausgehen könnte.
    Als wir uns verabschiedeten, lud uns Herr Straatmann zu einem Dia-Abend ein, den er schon seit längerem plante. »Natürlich werden wir auch die anderen Mitbewohner dazubitten. Meine Frau wird dann Kostproben der afrikanischen Küche servieren. Sie werden überrascht sein, das kann ich Ihnen versprechen!«
    Davon war ich überzeugt. Vorsichtshalber nahm ich mir schon jetzt vor, an dem betreffenden Abend Kopfschmerzen zu haben. Oder lieber ein etwas schwereres Leiden, denn zweifellos besaß Frau Straatmann geheimnisvolle Kräuter, die so etwas Simples wie Kopfschmerzen im Handumdrehen beseitigen würden.
    Nun mußten wir nur noch zu Familie Friese. Ein nasser Scheuerlappen vor der Haustür sagte mir, daß man in diesem Haus auf Sauberkeit bedacht war. Sorgfältig putzte ich meine Schuhe ab, bevor ich auf die Klingel drückte. Sofort ging ein ohrenbetäubender Krach los. Ein Hund kläffte sich das Innerste nach außen, eine Tür flog ins Schloß, eine Fensterscheibe klirrte, dann schrie eine weibliche Stimme: »Mach du mal auf, ich kann nicht!«
    Offenbar konnte die andere Person aber auch nicht, jedenfalls hörten wir ärgerliches Gemurmel, dann klapperten Schritte, und dann stand Frau Friese vor uns.
    Sie sah aus, als habe sie sich vor einem laufenden Propeller angezogen, und erinnerte mit dem Kopf voller Lockenwickler stark an eine Ananas. »Kommen Sie rein, aber passen Sie auf, daß Sie nicht in den Freßnapf treten, hier ist nämlich die Birne kaputt!«
    »Lieber ein andermal«, sagte Rolf erschrocken, »Sie wollen sicher gerade ausgehen.« Ihm sind die weiblichen Vorbereitungen hierfür hinlänglich bekannt.
    »Nur zum Kegeln«, bestätigte Frau Friese. »Aber erst um acht, Männe sitzt ja noch in der Badewanne.« Dann reckte sie den Hals und schrie nach oben: »Männe, komm raus und zieh dir was an. Unsere Nachbarn sind da!«
    Männe grunzte Unverständliches, aber ein gewaltiges Plätschern ließ vermuten, daß er dem Ruf seines Weibes folgte.
    Frau Friese führte uns ins Wohnzimmer, nicht ohne vorher dem herausstürzenden Hund einen Fußtritt versetzt zu haben. »Halt die Klappe, verdammte Töle!«
    Bei der Töle handelte es sich um die Mischung von einem halben Dutzend Hunderassen, aber die Stimme hatte sie zweifellos von einem Terrier.
    »Den hat mal’n Kunde bei uns im Geschäft gelassen, und dann sind wir ihn nicht mehr losgeworden«, erklärte Frau Friese das sichtlich nicht erwünschte Vorhandensein dieser Promenadenmischung. »Hau ab in die Küche, Mausi!«
    Mausi knurrte, wich geschickt der drohenden Hand seines Frauchens aus und trollte sich.
    »Nu setzen Sie sich erst mal!« Frau Friese wies auf mehrere leicht zerschlissene Stühle, von denen ich mir den am wenigsten schmutzigen aussuchte. Rolf blieb vorsichtshalber stehen und betrachtete scheinbar interessiert die Ölgemälde an den Wänden, ausnahmslos Produkte der Marke Alpenglühen.
    »Sieht man gar nicht, daß die bloß fünfzig Mark pro Stück gekostet haben, nicht wahr?« Frau Friese stöckelte auf ihren hohen Absätzen durch das Zimmer und zeigte auf eine farbenprächtige Ansammlung von Schwarzwaldtannen. »Das hier haben wir sogar für vierzig gekriegt, dabei sind die ganzen Bilder echt Öl!«
    Rolf murmelte Bewunderndes und warf mir hilfesuchende Blicke zu. Inzwischen hatte ich Gelegenheit gehabt, Frau Friese genauer in Augenschein zu nehmen. Sie mochte Mitte Dreißig sein, hatte ein Puppengesicht mit wasserblauen Augen, eine recht stämmige Figur und kurze dicke Beine. Ihre Füße quollen aus den hochhackigen Pumps förmlich heraus. Am schwarzen Spitzenrock fehlte ein Knopf, außerdem war der Reißverschluß etwas aufgeplatzt. Während sie vergeblich versuchte, die rosa Satinbluse mit der rechten Hand in den Rockbund zu stopfen, löste sie mit der

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