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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Natürlich, das Kinderzimmerfenster. Es bot freien Blick auf die zweite Häuserreihe.
    »Der hat Ihren Mann aber ziemlich vollaufen lassen!« bohrte Michael weiter.
    Jetzt reichte es mir! »Ich will dir mal etwas sagen, mein Sohn: Wenn du Wert darauf legst, bei deinem nächsten Besuch nicht hochkantig hinauszufliegen, dann halte in Zukunft deinen vorlauten Schnabel! Was wir tun oder nicht tun, geht dich absolut nichts an, und was andere tun, interessiert mich nicht! Du kannst deine Neuigkeiten ruhig für dich behalten! Und jetzt marschierst du am besten nach Hause, sonst bekommst du kein Essen mehr!«
    Keineswegs beleidigt trollte sich der muntere Knabe. »Heute gibt’s sowieso bloß Kartoffelsalat. Die Würstchen hat mein Vater gestern nacht aufgefressen, als er aus der Kneipe kam.«
    Heiliger Himmel, wo waren wir hingeraten?
    Es gab aber auch solide Bürger. Nach einem ausgedehnten Mittagsschläfchen war Rolf förmlich darauf erpicht, nun noch die übrigen Nachbarn kennenzulernen.
    Herr Wittinger öffnete. Er war mittelgroß, sah nichtssagend aus bis auf die eidechsenfarbenen Wildlederschuhe und beteiligte sich an der Unterhaltung nur in Form von Superlativen. »Einfach irre interessant« war seine Tätigkeit auf dem Flughafen, »sensationell« der Betriebsausflug gewesen, auf dem seine Frau ein »umwerfend gewagtes Abendkleid« getragen habe, und »einmalig« der Sportwagen, mit dem er seit kurzem vollkaskoversichert herumkurvte. »Es ist schon ein grandioses Gefühl, mit hundertachtzig Sachen über die Autobahn zu rasen. Außerordentlich erhebend.«
    Frau Wittinger nickte. »Und wenn man bedenkt, daß wir vorher gar kein Auto hatten…« Im übrigen war sie langweilig wie ein endloser Güterzug. Alles an ihr war farblos, und es gelang mir nicht, sie in ein Gespräch zu ziehen. Die Männer fachsimpelten über Hubraum, Einspritzpumpen und ähnliche Geheimnisse, von denen ich nicht das geringste verstand, während Frau Wittinger stumm am Tisch saß und die Astern in der geblümten Vase zurechtzupfte. Sie schien eine Vorliebe für Blumen zu haben. Das Zimmer sah aus wie ein botanischer Garten: Geblümte Vorhänge, geblümte Tapete, eine geblümte Sesselgarnitur, ein Teppich mit Blumenranken, an der Wand zwei Stilleben mit Sonnenblumen und Alpenveilchen, auf dem Fensterbrett Kakteen und in der Ecke ein achtarmiger Ständer mit Töpfen, darunter einer, der in voller Schnittlauchblüte stand.
    Ich erkundigte mich nach den Einkaufsmöglichkeiten, erfuhr aber nur, daß hierfür Herr Wittinger zuständig sei. »Er bringt immer alles mit dem Auto.«
    Dann wollte ich wissen, ob man hier eventuell eine Putzfrau finden würde. »Das weiß ich nicht. Wir haben eine. Mein Mann holt sie immer mit dem Auto.«
    Aha. – Krampfhaft bemühte ich mich um eine Frage, die eine weniger stereotype Antwort herausforderte. »Gibt es in Monlingen eigentlich ein Kino?«- »Nein, nur in Opladen: Aber da muß man mit dem Auto…«
    Da hatte ich genug und erinnerte Rolf an die Kinder, die allein zu Haus waren. Beim Hinausgehen erkundigte sich Frau Wittinger interessiert: »Fahren Ihre Kinder auch so gerne Auto?«
    »Und wie!« antwortete ich grimmig. »Am liebsten allein!«
    »Die Chancen sinken«, grinste Rolf, als wir die nächste Haustür ansteuerten. »Ich werde dir wohl doch einen Papagei schenken müssen.«
    Die Missionare – sie hießen übrigens Straatmann und nicht Strassmann – begrüßten uns mit überströmender Herzlichkeit und versicherten immer wieder, wie froh sie wären, so reizende Nachbarn zu bekommen. »Wir sind ja so kontaktfreudige Menschen, das hat unser Beruf mit sich gebracht, und als wir noch in Afrika waren, hatten wir fast jeden Abend Gäste. Den Leiter der Missionsstation, ein ganz reizender Mensch, und den Lehrer mit seiner reizenden Frau, hin und wieder auch unseren Bruder aus dem Nachbarbezirk, der so reizend von seinen Reisen erzählen konnte, und dann natürlich diese reizenden Eingeborenenkinder, die immer ›Guten Tag‹ sagten, wenn sie aus der Stadt in ihr Heimatdorf zu Besuch kamen – alles ganz, ganz reizende Menschen.«
    Herr Straatmann schleppte Fotoalben an, und wir beguckten uns pflichtgemäß kleine Schwarze und große Schwarze und mittelgroße Schwarze, die alle aussahen, als wären sie miteinander verwandt. Frau Straatmann versicherte uns aber, es seien Eingeborene verschiedener Stämme, die früher verfeindet gewesen, nunmehr aber zum Christentum bekehrt und alle Brüder im Herrn geworden

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