Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
holen wir sie natürlich nach Hause.«
    Du liebe Zeit, Kinder hatten Frieses also auch noch! Das schienen ja nicht mal Obermüllers zu wissen, und ich nahm mir vor, diese Neuigkeit gleich morgen weiterzugeben. Wie schnell man sich doch den Sitten seiner Mitmenschen anpaßt!

Viertes Kapitel
    Einen so gravierenden Milieuwechsel wie der Umzug von der Großstadt aufs Land hätte ich erst einmal trainieren müssen – vielleicht mit einer Vorortsiedlung als Zwischenstation –, aber mir blieb nicht einmal Zeit genug, mich auch nur allmählich an die veränderten Verhältnisse zu gewöhnen. Rolf ging mal wieder auf Geschäftsreise, so daß ich tagelang ohne Auto, dafür mit zwei Kindern in der Einöde festsaß; außerdem ging der anfangs noch beruhigende Vorrat an Cornflakes allmählich zu Ende, und so wurde die Nahrungsmittelbeschaffung zum vordringlichsten Problem.
    Die Strecke zum nächsten Supermarkt hätte ein trainierter Sportler in knapp zwanzig Minuten geschafft, ein geübter Spaziergänger in etwa einer halben Stunde, und ein weniger geübter wie ich hätte noch ein bißchen länger gebraucht. Aber ich kam ja gar nicht erst hin!
    Seitdem Sascha seine ersten Schritte gemacht hatte, war er jedesmal in wütendes Gebrüll ausgebrochen, sobald ich ihn in den Kinderwagen setzen wollte. Er wollte laufen. Nun hatte ich keine Lust, mit einem schreienden und strampelnden Brüllaffen an den Häusern vorbeizuziehen und ihren Bewohnern das Produkt meiner mangelhaften Erziehung zu präsentieren, also ließ ich den Sportwagen zu Hause, nahm Sascha an die Hand und marschierte los.
    Kürzlich hat die Universität Gießen herausgefunden, daß eine Schnecke in der Minute sieben Zentimeter zurücklegen und damit einen Dreijährigen beim Spazierengehen schlagen kann. Sascha bestätigte diese These. Erster Haltepunkt war eine Pfütze, in die er Steinchen werfen wollte. Dann interessierten ihn ein Regenwurm, ein leerer Farbeimer, ein zerfetzter Prospekt über Schweinefutter, und als er auch noch die beiden Vogelfedern aufgesammelt hatte, waren wir schon an Köbes’ Scheune. Gleich dahinter begann eine Wiese. Kühe waren nicht mehr drauf, wohl aber das, was sie hinterlassen hatten. Und genau da fiel Sascha hinein.
    Zu Mittag gab es Corn-flakes!
    Einkaufen im Familienverband schied also aus. Ich beriet mich mit Frau Obermüller. »Können wir uns nicht abwechseln? Einer spielt Babysitter, und der andere kauft für beide ein?«
    Frau Obermüller brauchte keinen Babysitter mehr, und außerdem… »Haben Sie schon mal zwei Brote, ein Kilo Fleisch und noch ein bißchen Sonstiges drei Kilometer weit geschleppt?«
    Nein, hatte ich nicht.
    »Na also! Beim nächstenmal kommen Sie nämlich dahinter, daß Salat viel gesünder ist als Kotelett und Knäckebrot auch satt macht!«
    Ein Vorstoß bei den anderen Nachbarn brachte auch nichts. Straatmanns waren Vegetarier und holten sich ihren Bedarf an Grünzeug aus der nächsten Gärtnerei. Frieses kauften in Düsseldorf ein, bei Wittingers brachte ja der Mann alles Notwendige mit dem Auto, und zu Frau Vogt wagte ich mich erst gar nicht. Vermutlich deckte sie ihren Bedarf in der Apotheke, weil da alles so schön steril verpackt ist. Schließlich hatte Rolf den rettenden Einfall: Er kaufte mir ein Fahrrad. Auf diese Idee war ich zwar auch schon gekommen, hatte sie aber sofort wieder verworfen, weil ich keinerlei sportliche Ambitionen hatte und für Querfeldeinfahrten auch nicht die nötige Kondition mitbrachte.
    »Du fährst natürlich über die Landstraße und nicht den Trampelpfad entlang!« beschied mich mein Gatte, der Fahrräder nur aus den Schaufenstern kannte und meines Wissens noch nie eines bestiegen hatte.
    Landstraße bedeutete noch einen Kilometer mehr, bedeutete Regen im Gesicht und Spritzwasser auf den Beinen, bedeutete einen zappelnden Sascha vorne im Körbchen, zwei schwankende Tüten am Lenkrad und auf dem Gepäckträger einen vollen Karton, der gelegentlich auch mal runterfiel und seinen Inhalt über die Straße verstreute. Während ich mit der einen Hand Tomaten und Suppenknochen einsammelte und mit der anderen Sascha festhielt, bildeten sich vor und hinter uns Autoschlangen mit steigenden Temperaturen. Nein, ich konnte wirklich nicht begreifen, daß es Menschen geben sollte, die für ihr Leben gerne einkaufen.
    Die regelmäßige Expedition durch den Supermarkt entwickelte sich jedesmal zu einer schweißtreibenden Schwerarbeit. Seitdem Sascha einmal in hohem Bogen aus dem Kindersitz

Weitere Kostenlose Bücher