Radau im Reihenhaus
sollte.
Fünftes Kapitel
Nach Ansicht der meisten Psychologen erkennt man eine vorbildliche Ehefrau an ihrem Bemühen, nicht nur Haushalt und Kinder in Schuß zu halten, sondern auch die Interessen ihres Gatten zu teilen. Letzteres ist nicht immer ganz einfach. Welche Frau hat schon Spaß daran, auf einer Düne im Sand herumzurobben und durch das Fernglas Bikinischönheiten zu beobachten? Auch passionierte Bastler können auf die Dauer anstrengend sein. Entweder liegen sie in öl verschmierten Overalls rücklings unter einem halb demontierten Auto und erwarten, daß man ihnen den Achterschlüssel, das kleine Ritzel und die Dreieinhalb-Zoll-Steckschraube zureicht, oder sie haben sich auf Holz verlegt und bauen unentwegt Gewürzregale, Blumenständer und Bücherstützen, die man nicht mal mehr in der Verwandtschaft los wird.
Rolfs Interesse kreist um die Malerei. Meins nicht, aber ich bemühe mich pflichtschuldigst und kann schon einen Van Gogh von einem Rembrandt unterscheiden.
Mit Beginn der Heizperiode erschöpften sich meine anderen Interessen ohnehin nur noch im Keller. Bald nach unserem Einzug hatte mein Sparsamkeitsapostel entsetzt festgestellt, daß unser Koksvorrat, den er wie eine Löwin ihr Junges verteidigte, erheblich geschrumpft war. Umgehend ließ er in der Küche und im Bad Durchlauferhitzer installieren, und die Heizung wurde erst einmal abgestellt. Jedesmal, wenn Rolf in den Keller ging, inspizierte er zufrieden die Kokshalde und pries seine Klugheit, die uns von dem kostbaren Brennstoff vorerst unabhängig machte.
Dann kam die nächste Stromrechnung, und dann entdeckte Rolf, daß sie dem Gegenwert von fünfzehn Zentnern Koks entsprach. Er ordnete Sparsamkeit an. Eine Zeitlang rannte er ständig hinter mir her und kontrollierte, ob ich auch überall das Licht ausgemacht hatte. Einmal schrie er mich an, weil die Fünfundzwanzig-Watt-Funzel auf der Toilette brannte, obwohl ich das Örtchen nachweislich vor mindestens zehn Minuten verlassen hatte. Ärgerlich brüllte ich zurück: »Gott sprach: Es werde Licht!«
»Das hat er aber gesagt, bevor sie es durch den Zähler laufen ließen«, ergänzte Rolf und knipste die Lampe aus.
Dann wurde es kalt. Zähneklappernd forderte ich, daß endlich die Heizung in Betrieb genommen würde, schließlich sei sie dazu da. Rolf war dagegen, erzählte etwas von übertriebener Empfindlichkeit, die wir auch nur der Zivilisation zu verdanken hätten, er selbst habe in seiner Jugend noch die Eisschicht vom Waschwasser aufklopfen müssen, und überhaupt komme ja bald die Sonne durch. Er stieg in den Wagen, stellte das Warmluftgebläse an und fuhr los.
Ich kramte unseren Heizlüfter hervor, stellte ihn stundenweise in jedem Raum auf, Rolfs Zimmer natürlich ausgenommen, und fror auch nicht mehr. Als er am Abend seinen Eiskeller betrat, zuckte er zwar merklich zusammen, sagte aber kein Wort und hielt es heroisch zwei Stunden lang in diesem Gefrierschrank aus.
Am nächsten Tag war er erkältet. Am übernächsten beschloß er, Grippe zu haben und im Bett zu bleiben. Da war es wenigstens warm. »Ruf mal einen Arzt an!« befahl er.
Ich kannte noch keinen, hielt ihn im Moment auch für völlig überflüssig, denn nach meiner Erfahrung ist ein Arzt der einzige Mensch, der kein unfehlbares Mittel gegen Schnupfen parat hat.
»Ich will aber einen Arzt haben!« quengelte Rolf.
Also erkundigte ich mich bei Frau Obermüller nach den Qualifikationen der hier in der Gegend ansässigen Medizinmänner und erhielt die Adresse ihres Hausarztes, der immerhin die Mittelohrentzündung von Michael sowie den eingewachsenen Zehennagel von Herrn Obermüller zufriedenstellend kuriert hatte. Ich rief an und schilderte der Sprechstundenhilfe die bedrohlichen Symptome, als da wären Husten, Schnupfen und Heiserkeit.
»Wir haben zur Zeit eine Masernepidemie, und ich glaube kaum, daß der Herr Doktor vor morgen mittag bei Ihnen vorbeikommen kann.«
»Bis dahin ist mein Mann bestimmt schon tot!« sagte ich voll Überzeugung.
»Oh«, meinte die Dame, »Sie können den Termin jederzeit rückgängig machen!«
»Dann hol eben den Brauer rüber!« flüsterte Rolf mit ersterbender Stimme. Die Mißachtung seines lebensbedrohenden Zustandes paßte ihm gar nicht. »Vielleicht hat der in Bengasi noch etwas anderes gelernt als Saufen. Schließlich ist er Arzt, und seinen Whisky kann er ruhig mitbringen. Alkohol tötet alle Bazillen!«
Brauer kam, diesmal ohne Flasche, und fragte als erstes: »Ist eure
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