Radau im Reihenhaus
Heizung kaputt?«
»Nein, wir sparen bloß!«
»Ihr habt einen herrlichen Vogel! Draußen sind sechs Grad über Null!«
»Das erzählen Sie mal meinem Mann!«
Offenbar hatte er es getan. Jedenfalls bekam ich den Auftrag, umgehend den Heizkessel in Gang zu setzen, und damit begann mein bis zum Frühjahr andauerndes Martyrium.
Nach Herrn Obermüllers damaligen Anweisungen brauchte man zunächst einmal Papier und Holz. Papier hatte ich, die örtliche Tageszeitung taugte ohnehin zu nichts Besserem, aber woher Holz nehmen? Ich entsann mich des verschnörkelten goldenen Bilderrahmens, den Rolf als zu pompös abgelehnt und in eine Kellerecke verbannt hatte, zerhackte ihn in handliche Teile, suchte Streichhölzer, die wir nicht hatten, fand ein Feuerzeug, das nicht funktionierte, stöberte endlich ein noch intaktes auf und stapelte sämtliches Zubehör um mich herum auf. Sven und Sascha verfolgten erwartungsvoll mein ungewohntes Treiben. »Wird’s nu endlich warm?«
»In einer halben Stunde ist das ganze Haus gemütlich«, versprach ich und öffnete die Ofentür. Heraus rieselte Asche. Auf dem Rost lagen zusammengeklumpte Schlackenteile, pfundschwere Brocken, die ich zum Teil erst zerkleinern mußte, um sie überhaupt herauszukriegen.
»Hol mal einen leeren Eimer!« Sven trabte ab.
»Is keiner da«, sagt er, als er wieder zurückkam und eine breite Aschenspur hinter sich herzog.
»Dann hol den Mülleimer!«
»Der is voll!« meldete Sven aus der Küche.
»Kipp ihn aus und bring ihn runter!«
Endlich kam der Eimer. Er war zu klein, um alle Asche zu fassen, und die Schlacke ging schon gar nicht hinein. Staubschwaden wogten durch den Keller. Hustend stolperte ich mit dem vollen Eimer nach oben, leerte ihn in die Mülltonne und tastete mich wieder abwärts. Sascha war inzwischen in die Kohlen gefallen und sah aus wie ein Lokomotivheizer. Sven spielte mit dem Feuerzeug.
»Raus hier, aber dalli!«
Die Knaben trollten sich. Auf den Treppenstufen knirschte der Koks. Ich stopfte Papier in den Ofen, legte die Hälfte des Bilderrahmens darauf, häufelte ein paar Koksstückchen darüber und zündete den ganzen Aufbau an. Sofort flammte das Papier auf, brannte lichterloh, ein kleines Flämmchen züngelte sogar noch an einem Stück Holz entlang, aus irgendwelchen Ritzen drang Qualm – dann war es wieder dunkel.
Hatte Obermüller nicht etwas von Abzug gesagt? Nach längerem Suchen entdeckte ich einen Hebel, drehte ihn in die hoffentlich richtige Richtung, und dann begann ich ein zweites Mal mit den Präliminarien des Feueranzündens. Diesmal brachte ich sogar das Holz zum Brennen, aber entweder schippte ich den Koks zu früh in den Ofen, oder aber es war zu viel, jedenfalls ging das Feuer wieder aus. Nach dem dritten Versuch war das Holz alle. Ich heulte, brüllte die Kinder an, als sie nach einer Stunde die versprochene Wärme reklamierten, und dann schickte ich Sven zu Obermüller. Kurz darauf bullerte der Ofen verheißungsvoll und der erste Hauch von Wärme zog durchs Haus. Zufrieden stellte ich mich unter die nun zentralbeheizte Dusche.
Zwei Stunden später fing ich an zu frösteln. Heiliger Himmel, der Ofen! Ich raste in den Keller, öffnete die schwere Eisentür und stierte in das schwarze Loch. Nichts! Kein wärmeverheißendes Prasseln, keine feurige Glut – nur die sattsam bekannten Schlackenreste.
»Jeder Ofen geht aus, wenn man nicht regelmäßig nachlegt«, dozierte Rolf, bei dem ich mitfühlendes Verständnis erhofft hatte, und wickelte sich etwas fester in sein Deckbett. »Nun sieh mal zu, daß du das Ding wieder in Gang bringst. Im Radio haben sie eben gesagt, wir kriegen heute nacht bis zu drei Grad Kälte!«
»Vielleicht könntest
du
mal versuchen…«
»Ich kann nicht, ich bin krank!« sagte Rolf, hustete demonstrativ und drehte mir den Rücken zu.
Also zog ich wieder in den Keller und versuchte zum vierten Mal, Ofen anzuheizen. Es klappte, aber erst, nachdem ich eine halbe Tasse Brennspiritus über die Kohlen gekippt und hinter der feuersicheren Tür abgewartet hatte, ob das ganze Ding wegen der unerwarteten Energiezufuhr nun in die Luft fliegen würde. Später lernte ich, daß Ofen zwecks Ankurbelung seines Kreislaufs hin und wieder eine explosive Vitaminspritze brauchte. Notfalls tat es aber auch Salatöl.
Und dann begann das, was man heute vermutlich als Jogging bezeichnen würde: Pünktlich alle zwei Stunden, also jedesmal, wenn der Wecker klingelte, ließ ich Kochtopf, Staubsauger oder Sascha
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