Radau im Reihenhaus
Momentan bin ich mit einem Künstler liiert, Konzertmeister beim Wuppertaler Stadtorchester. Ein sehr sensibler Mensch und hochmusikalisch. Extra seinetwegen habe ich ein Klavier gekauft, damit er nicht immer auf der Geige komponieren muß. Er hat ja eine ganz große Zukunft vor sich.«
Den sensiblen Künstler lernte ich dann auch noch kennen. Er hatte die Figur eines Preisboxers, trug statt der erwarteten Künstlermähne einen ganz zivilen Haarschnitt und überreichte seinem »Bellchen« einen Asternstrauß, aus dem oben der reklamierte Schlüssel lugte.
»Mein Bärchen hat wohl ein schlechtes Gewissen?« zwitscherte Frau Gundloff, hakte sich bei ihrem Grizzly ein und trippelte zur Tür. »Vielen Dank für die Bewirtung! Morgen werde ich mich revanchieren!« versprach sie und enteilte. Bärchen, fest verknotet, stolperte unbeholfen hinterher.
Keineswegs gewillt, sämtliche Neuigkeiten bis zu Rolfs Heimkehr für mich zu behalten, pfiff ich meinen Nachwuchs zusammen und ging zu Obermüllers. Meinen Beobachtungsposten am Fenster konnte ich getrost aufgeben, denn Michael beteiligte sich nach bewährter Methode schon wieder am Ausladen der Möbel und würde weitere Informationen sammeln. Der Gesprächsstoff für diesen Tag war gesichert!
Wie zu erwarten, zeigte Rolf großes Interesse an unserer neuen Nachbarin und brannte darauf, sie kennenzulernen.
Bisher hatte er sie lediglich bruchstückweise gesehen. Einmal den Kopf, als sie ihn aus dem Autofenster streckte, ein andermal die Beine, als er vom Kellerfenster einen Blick auf sie erhaschen konnte, aber das wohlproportionierte Mittelstück fehlte noch.
»Ob sie wohl eine echte Blondine ist?« rätselte er.
»Wohl eher eine Brünette mit großem Geheimnis«, sagte ich schnippisch.
»Wie alt schätzt du sie?«
»Angeblich hat sie kürzlich ihren fünfunddreißigsten Geburtstag gefeiert. Fragt sich nur, zum wievielten Mal. Sie tut für ihr Äußeres Dinge, für die jeder, der mit gebrauchten Autos handelt, sofort ins Gefängnis käme!«
»Warum bist du bloß so giftig?« fragte Rolf arglos.
Ich war überhaupt nicht giftig, ich fand es nur albern, wie sämtliche Männer der Siedlung hinter Frau Gundloff herliefen. Obermüller betätigte sich als Klempner, Schlosser und Heizungsmonteur, Friese brachte so ziemlich jeden Abend ein Sortiment Kosmetika ins Nebenhaus, Wittinger versorgte sie mit Reiseprospekten, und sogar Herr Straatmann hatte irgendeinen Vorwand gefunden, unserer Galionsfigur einen Besuch abzustatten. Natürlich hatte sich auch Brauer in den Reigen männlicher Bewunderer eingereiht und stieg mehr oder weniger regelmäßig mit seiner Whiskyflasche über den Zaun. Dabei hatte er zu Hause etwas viel Besseres. Frau Brauer war eine ausgesprochene Schönheit, sehr jung, sehr blond und sehr schüchtern. Mit dem etwas unkonventionellen Lebensstil ihres Mannes hatte sie sich offenbar abgefunden, aber einen sehr glücklichen Eindruck machte sie nicht.
Jedenfalls war Rolf Feuer und Flamme, als uns Frau Gundloff telefonisch zu einem »kleinen Cocktailstündchen« bat. »So gegen fünf, nur auf ein paar Martinis.«
»Das wurde ja auch langsam Zeit«, murmelte er, während er unschlüssig zwischen seinen Krawatten kramte, »paßt die blaugestreifte?«
»Stell dich nicht so an, wir gehen zu keinem Staatsempfang!« Auf der einen Seite war ich froh, daß die offizielle Konfrontation jetzt endlich stattfinden sollte, auf der anderen hatte ich gewisse Bedenken. Wie alle Männer hatte Rolf ein Faible für attraktive Frauen, und daß Frau Gundloff zu dieser Kategorie zählte, ließ sich nicht bestreiten.
»Hast du Blumen?« wollte er wissen.
»Nein. Aber oben steht der Kaktustopf, den mir Felix neulich mitgebracht hat. Er ist noch so gut wie neu!«
Rolf warf mir einen wütenden Blick zu. »Den hat er dir ja nicht umsonst geschenkt! Aber mal im Ernst: Irgend etwas müssen wir zum Einstand mitnehmen. Im Keller stehen doch eine ganze Menge Scheußlichkeiten herum, mit denen uns deine Verwandtschaft immer beglückt. Kannst du davon nichts entbehren? Ich denke da zum Beispiel an diesen Alptraum von Sammeltasse.«
»Ausgeschlossen!« protestierte ich. »Die ist so geschmacklos, daß sie in ein paar Jahren bestimmt eine begehrte Antiquität sein wird. Bring der Dame eine Flasche Schnaps mit, dafür hat sie wenigstens Verwendung!«
Frau Gundloff (»sagen Sie doch einfach Isabell!«) trug etwas Honiggelbes aus reiner Seide und bewegte sich darin mit einer Grazie, die Katzen
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