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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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runter!« Es konnte ja sein, daß mein kontaktfreudiger Sohn dieses Schmutzbündel kannte. Er betrachtete Püppi sehr eingehend. »Wer is’n das? Die stinkt ja!«
    Das ließ sich nicht leugnen. Vorsichtig hielt ich Püppi an der Anorakkapuze fest, die war noch am saubersten, und schob sie vor mir her – Marschrichtung Obermüller. Wenn jemand wußte, wo die Kleine hingehörte, dann Frau Obermüller.
    Sie war auch gar nicht weiter überrascht. »Ist sie diesmal bei Ihnen gelandet? Sie gehört zu Frieses, aber sie türmt dauernd. Frau Leiher ist schon ganz verzweifelt.«
    Jetzt entsann ich mich der Haushälterin, die dort seit ein paar Tagen das Zepter schwingen sollte. Ich hatte sie aber noch nicht kennengelernt und beschloß, das sofort nachzuholen.
    Tante Leiher war etwa 45 Jahre alt, sah sehr resolut aus, schien vor dem bei Frieses herrschenden Chaos aber bereits kapituliert zu haben. Resigniert sagte sie: »Vor einer Stunde habe ich Püppi von Kopf bis Fuß sauber angezogen, und jetzt sehen Sie sich dieses Ferkel an!«
    Das Ferkel kannte ich bereits, mich faszinierte viel mehr die seltsame Dekoration, mit der das Haus Friese geschmückt war. Überall hingen Handtücher – auf dem Treppengeländer, auf der Brüstung, über den Türklinken. Eine Leine war sogar quer durch den Flur gespannt und mit Frottiertüchern bestückt. Ich staunte.
    »Was soll ich machen?« sagte Tante Leiher. »Draußen trocknet das Zeug doch nicht mehr, und der Keller ist schon randvoll. Früher haben Frieses die Handtücher zum Waschen weggegeben, aber nun haben sie das ja nicht mehr nötig und laden sie bei mir ab. Jeden Tag mindestens fünfzig Stück. Die Maschine läuft den ganzen Vormittag, und wenn ich nicht aufpasse, schmeißt mir Achim seine vollgemachten Hosen auch noch dazu.«
    »Wieso Achim? Ich dachte, Püppi ist ein Mädchen?« fragte ich verwundert.
    »Ist sie ja auch, aber zur Familie Friese gehört noch Achim, der hoffnungsvolle Stammhalter!«
    »Da haben Sie es ja wirklich nicht leicht mit zwei Kleinkindern«, sagte ich mitfühlend.
    »Von wegen Kleinkind! Achim ist sieben und offensichtlich etwas zurückgeblieben. Oder finden Sie es normal, daß er seine dreckigen Hosen hinter den Kleiderschrank stopft?«
    Es stellte sich heraus, daß Achim Friese die Toilette lediglich als Planschbecken für seine Badeente benutzte, am liebsten Pommes frites mit Himbeersaft aß und bereits in der ersten Klasse sitzengeblieben war.
    »Der kann heute noch nicht 3 und 7 zusammenzählen, und ich bezweifle ernsthaft, daß er es jemals lernt!« beendete Tante Leiher ihren aufschlußreichen Bericht. »Hätte ich geahnt, was hier auf mich zukommt, dann wäre ich im Warenhaus bei meinen Handtaschen geblieben. Aber ich bin gerne Hausfrau und mag Kinder, deshalb hatte ich ja auch geglaubt, das hier würde das richtige für mich sein. Aussteigen kann ich nicht mehr, weil ich mich für mindestens zwei Jahre verpflichtet habe. Und dabei hat mir Herr Friese auch noch eingeredet, dieser Vertrag wäre eine Sicherheit für mich, weil er mir ja nicht kündigen könnte und so weiter.«
    Von oben tönte Gebrüll. »Hoffentlich ist Püppi nicht wieder in die Badewanne gefallen, da habe ich vorhin die ganzen Unterhosen eingeweicht. – Entschuldigen Sie bitte, aber ich muß rauf!«
    Am Halsband zerrte Tante Leiher die winselnde Mausi zurück, die jetzt endlich ihre Knochenlieferantin entdeckt hatte und mich unbedingt ablecken wollte, und schloß die Tür. Dafür öffnete sich die von nebenan. Frau Obermüller winkte mich zu sich: »Allmählich komme ich mir vor wie in den Slums von Kalkutta! Haben Sie die Flaggenparade gesehen?«
    »Hm.«
    »Frau Leiher tut mir leid. Sie hat irgendwann mal ein paar Semester Pädagogik studiert und wahrscheinlich geglaubt, bei den Kindern eine Lebensaufgabe zu finden. Die brauchen aber keinen Pädagogen, sondern einen Irrenarzt! – Haben Sie Zeit für einen Kaffee?«
    Aber mir war soeben eingefallen, daß die Fütterungszeit für Ofen schon längst überschritten war.
    »Ein anderes Mal!« versprach ich, rannte nach Hause und kam gerade noch rechtzeitig, um Sven die Kohlenschaufel zu entreißen.
    »Der Ofen geht aus!« erklärte mein Sohn.
    »Dann laß ihn ausgehen! Ich habe dir schon hundertmal gesagt, daß du im Heizungskeller nichts zu suchen hast!«
    »Aber der Wecker hat doch geklingelt!«
    »Das war wegen des Kuchens!« Den hatte ich natürlich total vergessen. Er war schwarz, als ich ihn aus der Röhre zog, und so

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