Radau im Reihenhaus
zu seinem Nachbarn, der schon seit einer halben Stunde im Liegestuhl hängt und Zeitung liest. Der Nachbar hat einen Schlauch. Genau betrachtet wächst es bei ihm auch nicht schlechter.
Rolf stellte die Gießkanne in die Garage und kaufte einen Gartenschlauch. Nun konnte er in verhältnismäßig kurzer Zeit die Beete sprengen, den Rasen, die Hauswand, Dackel Conni, alle Familienmitglieder und am ausgiebigsten sich selbst. Wenn er bis auf die Haut durchnäßt war, erklärte er zufrieden, der Garten habe genug, und ging sich trockenlegen.
Irgendwann entdeckt der Gärtner Blattläuse. Natürlich weiß er, daß es dagegen verschiedene Pulver und Gifte gibt, die bei richtiger Anwendung verhältnismäßig unschädlich sind. Die Blattläuse überleben häufig, und auch die Rosen überstehen den Vernichtungsfeldzug. Es kann natürlich passieren, daß Blätter und Knospen dabei verbrennen, aber die kommen im nächsten Jahr wieder. Desgleichen die Blattläuse! Im Laufe eines Jahres kommt der Zeitpunkt, an dem etwas ge- oder beschnitten werden muß, wilde Ranken zum Beispiel, verdorrte Zweige oder Rosen. Dazu braucht man eine besondere Schere. Sie ist teuer und im Gegensatz zu anderen Scheren sehr scharf. Dann braucht man noch ein paar Meter Verbandmull, Leukoplast und Whisky zur innerlichen Desinfektion. Er ist auch zur Schockbekämpfung nützlich, wenn man nämlich dem Hobbygärtner schonend beizubringen versucht, daß er statt eines störenden Seitentriebes den Hauptstamm abgesäbelt hat.
Jeder erntet, was er gesät hat – nur der Gartenliebhaber nicht. Den Salat fraßen die Schnecken. Sie waren anspruchsloser als wir und hatten an den hochaufgeschossenen Stengeln nichts auszusetzen.
Die Rettiche waren holzig, die Karotten dünn wie Bleistifte, und die Kohlrabi haben wir erst gar nicht wiedergefunden. Vielleicht waren es auch keine gewesen, sondern diese spinnenbeinigen Blumen, die auf der Samentüte so herrlich ausgesehen hatten und in natura einem Drahtverhau ähnelten.
»Hoffentlich werden meine Tomaten wenigstens so groß wie meine Blasen«, hatte Rolf gesagt, nachdem er Pfähle in den Boden gerammt und die Pflänzchen daran festgebunden hatte. Aus den Pflänzchen wurden Pflanzen, dann kleine Bäume, aber die Früchte wurden nie größer als Murmeln.
»Vielleicht sind das gar keine Tomaten, sondern Kartoffeln«, zweifelte ich. Eine gewisse Ähnlichkeit ist den beiden Gewächsen ja wirklich nicht abzusprechen.
»Natürlich sind das Tomaten! Das weiß doch jedes Kind!«
Warum blätterte er dann bloß dauernd im Samenkatalog?
»Sieh sie dir doch an! Die Struktur der Blätter ist ganz anders als Kartoffelkraut!«
Seufzend betrachtete er das farbenprächtige Foto, auf dem Stauden mit dicken roten Früchten abgebildet waren. Dann klemmte er sich das Heft unter den Arm und marschierte mit energischen Schritten in den Garten. »Das will ich jetzt mal meinen Tomaten zeigen!«
Das einzige, was wir in großen Mengen ernteten (und was außer Rolf keiner von uns aß), war Spinat. Er ist zwar gesund, läßt sich aber aus Oberhemden und Krawatten nur sehr umständlich entfernen und wird nie alle. Rolf beschloß, im nächsten Frühjahr keinen mehr anzubauen.
Überhaupt wollte er auf Gemüsekulturen weitgehend verzichten und auch den Rasen sich selbst überlassen. Wir hatten im Laufe der Monate festgestellt, daß man unter »Rasen« sehr widerstandsfähiges Gras zu verstehen hat, das auf unbebautem Gelände großartig gedeiht, auf Wegen und in den Fugen der Terrassenplatten geradezu üppig wuchert, auf großer Fläche jedoch dank der liebevollen Fürsorge des Gartenliebhabers langsam zugrunde geht.
Das einzige, was in jenem ersten Jahr bei uns wirklich gewachsen ist, waren das Unkraut und die Wasserrechnung.
Nun bestand der Alltag ja nicht nur aus Gartenarbeit, aber irgendwie drehte sich alles um sie. Man mag dabei berücksichtigen, daß es unser erster Garten war. Die Begeisterung legte sich bei mir aber genauso schnell, wie sich auch mein anfänglicher Enthusiasmus für Säuglingspflege gelegt hatte (mir ist heute noch unklar, wie ich es geschafft habe, gleich fünf großzuziehen!). Im Krankenhaus werden einem die Babys sauber und frisch gewickelt präsentiert, die Kinderschwester bringt das temperierte Fläschchen, man braucht nur den Schnuller in das winzige Mäulchen zu schieben und zuzusehen, wie der Nachwuchs zufrieden nuckelt.
Zu Hause sieht die Sache dann schon ganz anders aus. Das Baby brüllt morgens um fünf
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