Radau im Reihenhaus
Feuchtigkeit«, tröstete ich mich und brachte die Kaffeetassen ins Trockene.
»Der Garten braucht eine liebevolle Hand«, sagte Rolf.
»Nach dem Regen ist die Erde schön locker, dann geht das Unkraut viel leichter raus. Morgen kannst du hinten bei den Tomaten anfangen!«
Weil auch die meisten meiner Nachbarinnen ihre Nachmittage überwiegend mit Hacke und Rechen verbrachten, dachte ich nichts Schlimmes und stürzte mich mit Feuereifer in die Arbeit. Als erstes rottete ich die Radieschen aus. Unten hing ja noch nichts dran, und oben sahen sie genauso aus wie Ackermelde. Beim Schnittsalat war ich etwas vorsichtiger, aber es blieb doch noch eine ganze Menge auf der Strecke. Als ich mich gerade über die Gurken hermachen wollte (Gemüse ist grün! Was gelb blüht, kann also nur Unkraut sein!), kam Rolf, entriß mir die Hacke und sagte wenig schmeichelhafte Worte, von denen ›Vandalismus‹ noch das harmloseste war.
Der untere Teil des Gartens bestand aus Rasen. Natürlich sollte es englischer Rasen werden, grün wie ein Billardtisch und dicht wie ein Orientteppich. Rolf hatte die teuerste Sorte gekauft, aber es scheint ein Naturgesetz zu sein, daß sich aus dem besten Rasensamen das üppigste und stachligste Unkraut entwickelt. Das muß vor dem Mähen gejätet werden. Man bewaffnet sich mit einem spitzen Fleischmesser und kriecht auf der Jagd nach Löwenzahn, Klee und Huflattich so lange auf allen vieren herum, bis die gesäuberte Fläche aussieht, als hätte eine Herde Kühe darauf herumgetrampelt. Worauf man sich entschließt, das nächste Mal lieber gleich zu mähen.
Je kleiner die Rasenfläche, desto größer der Aufwand. Dünger wurde gekauft, und bald war der Rasen besser ernährt als wir. Ein Rasenmäher mußte her und ein großer Kanister mit dem zur Fütterung notwendigen Treibstoffgemisch. Dann brauchte der Rasenmäher Öl und passendes Handwerkszeug, weil er manchmal kaputtging. Später kamen noch ein Schleifstein dazu – der Scherenschleifer verstand sich nicht so gut auf Rasenmäher-, eine Spezialbürste zum Reinigen, eine Blechbüchse mit einer schwarzen Paste zum Einfetten und und und…
Wenn Rolf abends den Wagen in die Garage fuhr, erforderte dieses Manöver höchste Konzentration. Immerhin enthielt sie außer dem Rasenmäher nebst Zubehör noch mein Fahrrad, Svens Roller, Saschas Dreirad, diverse Gartengeräte, ein Go-Kart, zwei Eimer mit weißer Farbe, weil ich noch nicht dazu gekommen war, die Terrassenmöbel zu streichen, Spinnen, Asseln, ein Dutzend Pappkartons mit unbekanntem Inhalt und einen Feuerlöscher, für den wir im Haus keinen geeigneten Platz gefunden hatten.
Als Rolf zum erstenmal den Rasen mähte, rief er die ganze Familie zusammen, einschließlich Frau Koslowski, die er vom Geschirrspülen weggeholt hatte. Er erwartete von uns, daß wir die kultische Handlung mit gebührender Hochachtung verfolgten. Wir taten ihm den Gefallen. Nur Frau Koslowski trottete kopfschüttelnd in die Küche zurück. »Da soll nun was dabei sein! Das kann doch jede Kuh!« Was wohl absolut wörtlich zu verstehen war.
Nach dem zweiten Schnitt wurde das Rasenmähen an mich delegiert, weil ich ja viel mehr Zeit hätte! Neidisch sah ich zu Frau Heinze hinüber, die von der Terrasse aus zusah, wie ihr Mann mit dem Mäher durch den Rasen pflügte.
»Ich hab’ ihm das Ding zum Geburtstag geschenkt!« frohlockte sie. Etwas wehmütig antwortete ich: »Und ich habe zum Muttertag einen Schraubenschlüssel bekommen, damit ich den Deckel vom Benzintank leichter aufkriege!«
Mit fortschreitender Jahreszeit und fortschreitenden Temperaturen muß gegossen werden. Das macht man morgens oder abends. Am besten abends, es könnte ja sein, daß es im Laufe des Tages doch noch regnet.
Am besten eignet sich Regenwasser zum Gießen. Man muß es in alten Teertonnen auffangen, die weder dekorativ noch praktisch sind.
Bis sie so voll sind, daß man ohne artistische Verrenkungen die Gießkanne füllen kann, muß es sehr viel geregnet haben. Aber dann braucht man ja nicht zu gießen, weil sowieso schon alles naß ist.
Gartenbesitzer gießen mit dem Schlauch, Gartenliebhaber nehmen die Kanne, weil leicht angewärmtes Wasser besser ist für die Pflanzen. Warmes Wasser gibt es in der Küche, und was kümmert es den engagierten Gärtner, wenn der Parkettfußboden im Wohnzimmer schon nach kurzer Zeit schwimmt. Er bedauert höchstens, daß er nicht zwei Gießkannen hat. Nach der siebenunddreißigsten Kanne blickt er neiderfüllt
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