Radau im Reihenhaus
krank?«
Krank war ich nicht, nur scheußlich erkältet. Bei Männern heißt so etwas Grippe und erfordert Bettruhe, während Hausfrauen in der Regel zwei Aspirin kriegen, verbunden mit der besorgten Frage, ob sie am Abend wieder gesund sein würden, denn Willi und Hilde und vielleicht auch noch Bernd und Anneliese kämen doch zum Essen. »Hatte ich dir das nicht gesagt?«
Frau Koslowski, die anscheinend nichts Besseres zu tun hatte und außerdem noch nie in der Millionärssiedlung gewesen war, besuchte mich am nächsten Tag, brachte selbstgemachte Stachelbeermarmelade mit und bot ihre Hilfe an.
»Zweimal die Woche drei bis vier Stunden, ist Ihnen das recht?«
Und ob mir das recht war! Besonders, nachdem ich sie überzeugen konnte, daß wir keine Millionäre waren und nur den ortsüblichen Stundenlohn bezahlen würden.
Frau Koslowski startete also ein Großreinemachen, weil das erstens im Frühling so üblich ist und weil zweitens ihre Vorstellungen von einem »ordentlichen Haushalt« die meinen übertrafen. Sie trieb sogar Rolf in die Flucht, der sich wieder an die Notwendigkeit des Geldverdienens erinnerte und nun dauernd unterwegs war.
»Seitdem deine neue Perle ihren Großputz eingeleitet hat, weiß ich, warum die Wirbelstürme immer weibliche Namen bekommen!«
Vom Fensterputzen und Teppichklopfen befreit, erinnerte ich mich an den Garten und an die kleinen Tüten, die ich unlängst aus einem Tante-Emma-Laden mitgebracht und irgendwo hingelegt hatte. Aber wo?
»Frau Koslowski, haben Sie vier oder fünf Plastiktütchen herumliegen sehen?«
»Wenn Sie die trockenen Wurzelenden meinen, die habe ich in den Mülleimer geschmissen«, tönte es aus dem oberen Stockwerk.
Auch gut, ich hätte ohnehin nicht gewußt, was sich hinter den merkwürdigen Abkürzungen wie Parth. tric. oder Syr. vulg. verborgen hatte. Sie hatten sehr wissenschaftlich geklungen, und ich war eigentlich nie den Verdacht losgeworden, es könne sich möglicherweise um Ergänzungspackungen für einen Chemiebaukasten gehandelt haben.
Also delegierte ich die Gartengestaltung an Rolf, auf dessen Schreibtisch sich schon seit Wochen Samenkataloge und Preislisten stapelten. Jeden zweiten Tag brachte er neue mit, und weil er so viel Zeit zum Lesen brauchte, hatte er noch keine Zeit gehabt, im Garten anzufangen. Aber am Wochenende sollte es endlich losgehen.
Bei Heinzes war schon längst der Rasen eingesät, bei Vogts kam er bereits heraus, und sogar Isabells Neffe buddelte manchmal in der Erde. Es mußte übrigens ein anderer sein, denn er rauchte Pfeife.
Umgegraben war unser Garten schon. Das hatte jemand von der Friedhofsgärtnerei gemacht, abends nach Feierabend. Es war ein bärtiger Jüngling gewesen, der Geld für ein Motorrad brauchte, mit dem er nach Indien fahren und ein neues Leben anfangen wollte. Während er Torf unter den Lehmboden grub, schwärmte er von blühenden Mohnfeldern und von einer Pflanze, die Cannabis hieß, mehrere Meter hoch werden und sehr dekorativ aussehen sollte.
»Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen ein paar Samenkörner mitbringen.« Unser Areal war aber schon bis zum letzten Quadratzentimeter verplant.
Am Wochenende regnete es. »Das ist gut für den Garten«, sagte Rolf.
»Warum?« fragte ich. »Es ist ja noch gar nichts drin!«
»Regen lockert die Erde auf«, belehrte mich der Fachmann. Ich fand sie eigentlich locker genug. Man konnte nur mit Gummistiefeln durch den Matsch waten und blieb dauernd stecken.
Schon seit Monaten hatte Rolf bei allen Leuten, die ihren Garten als Hobby und als Quell unerschöpflicher Freude bezeichneten, Ratschläge geholt, alles gewissenhaft aufgeschrieben und dabei festgestellt, daß Gartenpflege ähnlich kompliziert und vielfältig ist wie Astrophysik oder Kindererziehung. Jeder Gärtner schien sein eigenes Rezept zu haben, wie man den Boden »samengerecht« vorbereiten muß, aber keiner konnte dafür garantieren, daß seine Methode die richtige ist. (Beim Skiwachs merkt man auch erst hinterher, daß man das falsche erwischt hat.)
Bauer Köbes hatte empfohlen, etwas gelben Sand unter die Gartenerde zu mischen, weil er Eisen enthalte. Der Besitzer von Rolfs Stammkneipe hatte davor gewarnt, aus dem einfachen Grund, weil gelber Sand Eisen enthalte. Der Vertreter von Christbaumschmuck, mit dem Rolf sich in einer Autobahnraststätte unterhalten hatte, empfahl Marmorstaub (woher nehmen?), während der vierteljährlich bei uns auftauchende Scherenschleifer behauptete, es gebe nichts
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