Radau im Reihenhaus
hier herumbuddeln?« erkundigte sich Sven ungläubig. Er sah sowieso schon aus wie ein Grubenarbeiter.
»An eurer Stelle würde ich es mal versuchen!« Rolf drückte auf den Auslöser und erwischte seinen Jüngsten, wie der erwartungsvoll in eine Tulpenzwiebel biß.
Eine Stunde später: Die Sanders’, vier an der Zahl, zwei davon heulend, eingehüllt in wasserdichte Kleidung, stapften durch den Garten und suchten in strömendem Regen die vergrabenen Ostereier. Bei dem vorausgegangenen Hin-und-her-Gerenne hatten die Jungs die kleinen Markierungsstöckchen in die weiche Erde getreten, wo sie von den überall herumliegenden anderen kleinen Stöckchen nicht mehr zu unterscheiden waren.
Zu seinen Fotos ist Rolf aber doch noch gekommen. Herr Heinze hatte von seinem Fenster aus einen ganzen Film verknipst. Das schönste Bild zeigte Rolf, die hellgrauen Hosen bis zum Knie voll Lehm, wie er einen toten Maulwurf auf dem Spaten hat.
Neuntes Kapitel
Die Schulzeit ist die glücklichste Zeit unseres Lebens – vorausgesetzt natürlich, unsere Kinder sind schon schulpflichtig! Sven war endlich soweit. Zusammen mit Riekchen, Karsten Vogt und den Zwillingen wurde er eingeschult.
Die Schule lag im Zentrum von Monlingen. Schüler der umliegenden Dörfer wurden mit dem Bus geholt und zurückgebracht. Es fehlten zwar noch ein paar hundert Meter bis zur gesetzlich festgelegten Mindestentfernung, die einen Schulbus amtlich rechtfertigte, aber die Stadtverwaltung hatte ein Einsehen und richtete am Ende unserer Zufahrtsstraße extra eine Haltestelle für unsere fünf I- Dötzchen ein. Michael und Hendrik durften auch mitfahren. Dann mußten sie noch in einen zweiten Bus umsteigen, weil Monlingen kein Gymnasium hatte.
Zu den ersten Dingen, die Sven in der Schule lernte, gehörte, daß alle anderen mehr Taschengeld bekamen. Sie durften auch länger aufbleiben, öfter fernsehen und alles das tun, was er schon seit Jahren sehr nachdrücklich forderte. Etwas verunsichert machte ich einige Zugeständnisse, und von da an gefiel es ihm in der Schule großartig. Die täglichen Tischgespräche kreisten jetzt um ein neues Thema.
»Was habt ihr denn heute in der Schule gelernt?«
»Schreiben!«
»Das ist ja prima«, sagte Rolf. »Und was hast du geschrieben?«
»Das weiß ich nicht«, lautete die Antwort, »ich kann noch nicht lesen.«
Als ich eines Morgens von der Haltestelle zurückkam – es war etwas spät geworden, und ohne Antreiber hätte Sven mal wieder nur die Rücklichter vom Bus gesehen –, stieß ich knapp vor unserer Haustür mit einem Herrn zusammen. Er war großgewachsen, hatte schwarze Haare, schwarze Augen und einen bronzefarbenen Teint. In dieser Umgebung wirkte er wie eine Kokospalme am Südpol. Ihm folgte eine Dame, die nur etwas kleiner war, dunkle Mandelaugen hatte und einen schwarzen Farbtupfer über der Nasenwurzel.
»Guten Tag«, sagte ich etwas verblüfft.
»Gutten Tack«, sagte der Herr, verbeugte sich leicht und legte die Hände aneinander, als wolle er beten. »Ich sein Ransome Botlivala. Wohnen nebenann.« Er lächelte, verbeugte sich und zeigte nach rückwärts. Das Musterhaus? Aber warum eigentlich nicht? Alle anderen waren verkauft, sogar die halbfertigen in der letzten Reihe. Deshalb wurden diese Häuser wohl auch nie ganz fertig.
»Dann sind Sie also in Nummer sechs eingezogen?«
Herr Botlivala lächelte und nickte.
»Wie schön. Allmählich werden wir international«, freute ich mich. Legte man ihre nicht ganz alltäglichen Gewohnheiten zugrunde, so konnte man Brauer und Staatmanns zumindest als halbe Afrikaner bezeichnen.
»Si si, hier wohnen«. Botlivala deutete wieder eine Verbeugung an.
»Und das ist sicher Ihre Frau!« Ich streckte der mandeläugigen Schönheit die Hand entgegen. Sie lächelte, berührte mit den zusammengelegten Händen ihre Stirn und verbeugte sich.
»Ihre Frau, si«, lächelte auch Herr Botlivala und verbeugte sich. Langsam ging mir das auf die Nerven.
»Sind Sie schon lange in Deutschland?« Irgend etwas mußte ich ja sagen, und Geistreicheres fiel mir nicht ein.
»Deutschland, si si«, antwortete Botlivala lächelnd mit einer etwas weniger tiefen Verbeugung.
Allmählich begriff ich, daß seine Sprachkenntnisse eine flüssige Unterhaltung noch nicht gestatteten. Anscheinend sprach er Spanisch, aber das wiederum konnte ich nicht. Mir fiel lediglich die spanische Bezeichnung für ›Damentoilette‹ ein, und diese Vokabel erschien mir im gegenwärtigen Stadium unserer
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