Radau im Reihenhaus
Besseres als abgelagerten Kuhmist.
Am Ende kaufte Rolf Kunstdünger, weil da wohl von allem ein bißchen drin sein würde.
Nach den ersten Versuchen, den Garten in vorschriftsmäßige Beete aufzuteilen, fuhr er wieder zum Friedhof und fragte den hohläugigen Jüngling, ob er das Geld für sein Motorrad schon zusammenhätte. Der wollte aber gar nicht mehr nach Indien, sondern nach Dänemark, um Korn anzubauen und alternatives Brot zu backen. Zum Glück fehlte ihm noch das Reisegeld. Daß unsere Beete später alle wie Gräber aussahen, wunderte uns natürlich nicht.
Zuerst pflanzte Rolf Sträucher. Sie kamen hinten an den Zaun und waren als Sichtschutz gedacht. Im Augenblick sahen sie noch aus wie kleine struppige Ungeheuer, aber der Gärtner hatte versichert, sie würden auch dann schnell wachsen, wenn man sich nicht darum kümmere. Das taten sie auch. Sie wurden groß und grün und spitz. Im nächsten Jahr wurden sie noch größer, grün wurden sie bloß noch oben, unten blieben sie braun, dann wurden sie auch oben braun, und im Herbst rissen wir die Lebensbäume wieder aus. Himbeeren waren ja auch viel nützlicher.
Rolf säte. Unmengen von Samen verschwanden in langen Rillen, wurden sorgfältig mit Erde überdeckt, festgeklopft und zum Schluß mit kleinen, auf Schaschlikstäbchen gespießten Zettelchen gekennzeichnet. Dann kam ein heftiger Gewitterregen mit Sturmböen. Erst im Juli, als die Petersilie noch immer nicht richtig aufgelaufen war, entdeckten wir, daß wir sie versehentlich bei den Mohrrüben gesucht hatten. Mit den Zwiebeln war es so ähnlich gewesen. Eine Zeitlang hatte ich mich über die neuartigen Zuchtergebnisse von Schnittlauch gewundert.
Nun war der Samen endlich drin, und damit begann das Warten. Rolf ließ sich überzeugen, daß am ersten und zweiten Tag bestimmt nichts wachsen würde. Außerdem regnete es, was ja gut war für den Boden, aber schlecht für die Saat. Viele Körnchen wurden herausgespült, ich mußte sie wieder in die Erde stecken (»Du bist nicht so schwer, drückst also den Boden nicht so tief ein wie ich!«) und darüber hinaus noch ein wachsames Auge auf Spatzen, Amseln und ähnliche Schmarotzer haben. In nicht eben druckreifer Form äußerte sich Rolf über die mangelnde Intelligenz von Vögeln, die nicht zwischen freigebig verteiltem Winterfutter und sorgfältig gehegtem Radieschensamen unterscheiden könnten.
Am dritten Tag entdeckte er bei seinem stündlichen Rundgang durch die Friedhofsbeete ein kleines Pflänzchen, das zusehends größer wurde – erstes Anzeichen keimenden Lebens.
Am fünften Tag diagnostizierte er es als Unkraut und riß es zögernd aus. Immerhin war es bisher das einzige Grüne im Garten.
Der nahrhafte Teil war nun erledigt. Jetzt brauchten wir noch etwas fürs Auge. Dafür war wieder ein anderer Gärtner zuständig, der sich auf das Züchten von Blumen spezialisiert hatte. Sein Name ist der Nachwelt in Gestalt einer Dahlie erhalten geblieben. Sie hatte bei einer Blumenschau in Holland einen Preis bekommen und heißt jetzt ›Georgina muellerosa‹ oder so ähnlich.
Zu einem Blumenzüchter geht man nicht wie in einen x-beliebigen Laden, wo man Zigaretten oder Rasierwasser kauft, bezahlt und wieder verschwindet. Zum Züchter geht man nur, wenn man viel Zeit und möglichst keine Vorstellungen von dem hat, was man eigentlich mitnehmen will. Der Züchter ist ein Fachmann und weiß am besten, was wo gedeiht. Er läßt sich kurz schildern, wie der Boden beschaffen ist, ob es Sonne, Schatten oder Schnecken gibt, wie kalkhaltig das Wasser ist und ob man oft Gäste hat, die ihre Zigarettenkippen in den Blumenbeeten ausdrücken. Dann bekommt man ein paar Töpfe in die Hand gedrückt, die so gut wie gar nichts kosten, weil ein Blumenzüchter kein Geschäftsmann ist, und zieht mit seiner Ausbeute hochbeglückt nach Hause.
Dort hat man längst wieder vergessen, ob es nun das stachelige Gestrüpp war, was ein halbschattiges Plätzchen braucht, oder der mickrige dunkelbraune Stengel in dem Plastiktopf. Was schließlich herauskommt, weiß sowieso kein Mensch, weil ein normal gebildeter Mitteleuropäer ohne Gartenerfahrung sich nichts unter Acaena und Wahlenbergia vorstellen kann.
Nachdem die Hauptarbeit getan war, gab ich mich der Illusion hin, das Wachsen, Blühen und Gedeihen vom Liegestuhl aus verfolgen zu können. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, und wenn es wieder mal regnete, dann war das auch nicht so schlimm. »Der Garten braucht sicher
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