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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Bekanntschaft nicht recht geeignet. Ob ich es mal mit Englisch versuchen sollte? Halb Asien ist schließlich mal Kronkolonie gewesen, da müßte doch eigentlich etwas hängengeblieben sein. »Where did you come from?«
    Herr Botlivala verbeugte sich. Du lieber Himmel, aus welcher Ecke unserer guten Mutter Erde stammte er bloß? Thailand? Vietnam? Korea? Hatten dort nicht mal die Franzosen gesessen? Ach nee, das war ja Algerien gewesen, und arabisch sah mein Gegenüber nun wirklich nicht aus. Trotzdem probierte ich es.
    »Avez-vous des enfants?« Kinder sind immer ein gutes Gesprächsthema, abgesehen von der blamablen Tatsache, daß ich mit der französischen Sprache nie ein sehr inniges Verhältnis eingegangen war.
    Zur Abwechslung legte Herr Botlivala wieder einmal die Hände an die Stirn, bevor er sich verbeugte.
    Zum Kuckuck noch eins! Wie kam ich jetzt bloß weg? Ich konnte doch nicht den halben Vormittag hier auf der Straße stehen und wie ein Stehaufmännchen auf und nieder wippen. Ich hatte mich nämlich dabei ertappt, wie ich mich synchron zu Herrn Botlivala ebenfalls leicht verbeugte. Jetzt versuchte ich es mal mit Lächeln. Herr Botlivala lächelte zurück. Mein Lächeln wurde zur Grimasse. Herr Botlivala lächelte immer noch gleichmäßig schön. Ich verbeugte mich. Herr Botlivala verbeugte sich auch.
    Endlich zwitscherte seine Frau etwas Unverständliches, worauf sich Herr Botlivala auch einmal verbeugte und von dannen schritt. Mandelauge hinterher. Dann drehte sie sich noch einmal um. »Danke.«
    Kaum waren sie hinter den Garagen verschwunden, da machte ich auf dem Absatz kehrt und ging zu Obermüllers. »Ich hab’ da eben einen Asiaten getroffen, der…«
    »Ach, der Kamasutra oder wie er heißt«, feixte Obermüller, während er sich einen Doppelkorn ins Schnapsglas goß. »Det sind Inder. Jestern einjezogen. Sprechen keen Wort Deutsch und jrinsen bloß. Janz ulkije Typen. Willste ooch’n Korn?«
    Dankend lehnte ich ab. »Ich hab noch nicht mal gefrühstückt.«
    »Ick ooch nich. Jenaujenommen bin ick jrade dabei.« Er kippte den Schnaps hinunter. »Wenn du Dorle suchst, die is in’n Jarten. Irjendwo mang de Erdbeern.«
    Obwohl ich zu Obermüller weiterhin ›Sie‹ sagte, duzte er mich seit der Silvesternacht. »Is doch Quatsch. Wir sind hier ‘ne jroße Familje, und inne Verwandschaft jibts keene Förmlichkeiten.«
    Daß ich auf diese familiären Bindungen keinen großen Wert legte, schien er nicht zu bemerken. Zum Glück war seine Frau ganz anders. Sie mochte ich wirklich.
    Dorle hängte im Garten Wäsche auf. »Bist du aus dem Bett gefallen?« wunderte sie sich.
    »Im Gegenteil. Deshalb mußte ich auch Sven auf Trab bringen, sonst hätte er den Bus verpaßt. Auf dem Rückweg hatte ich dann eine sehr einseitige Konversation in verschiedenen Sprachen mit einem Vertreter der ostasiatischen Rasse.«
    »Botlivala!« Sie lachte. »Die wohnen nur vorübergehend hier, bis die Wohnung von ihren Vorgängern frei wird. Er ist Praktikant bei einer Maschinenbaufirma oder so ähnlich und soll jetzt deutsches Knowhow lernen. Miete zahlt er auch nicht, das wird alles von höherer Warte aus geregelt.«
    »Aha. In welcher Sprache hat er dir das denn erzählt? Oder kannst du Hindi?«
    »Sayonara«, antwortete sie.
    »Das ist japanisch!«
    »Weiß ich, klingt aber auch so schön orientalisch.«
    »Jetzt mal im Ernst: Wie hast du dich mit diesen exotischen Vögeln verständigt?«
    »Überhaupt nicht.« Dorle klammerte die letzten beiden Handtücher an. »Die Tante von der Baufirma hat es uns erzählt, als sie die Schlüssel brachte. Aus irgendwelchen Gründen ist das Musterhaus nicht verkauft worden, sondern möbliert vermietet. Und wie es scheint, zahlen die Inder recht gut.« Sie griff nach dem Wäschekorb. »Kommst du noch mit rein?«
    »Um Himmels willen, nein! Ich muß nach Hause, sonst stellt Sascha wieder die ganze Bude auf den Kopf. Gestern hat er die Geflügelschere in die Waschmaschine geworfen, und ich habe mir eine Stunde lang den Kopf zerbrochen, was da so klappert. Rangetraut habe ich mich aber auch nicht, weil ich dachte, das ganze Ding fliegt mir um die Ohren. Endlich bin ich auf die Idee gekommen, die Hauptsicherung auszuschalten!«
    Seitdem Sven vormittags in der Schule war, langweilte sich Sascha und war ständig auf der Suche nach Unterhaltung. Kaum hatte ich das Zahnpastagemälde vom Toiletten- deckel entfernt und die Erbsen aus dem Badewannenabfluß, dann raste ich schon in die Küche

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