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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Dudelsackpfeifer meistens im Gehen spielen? Nein? Ganz einfach: Weil bewegliche Ziele schwerer zu treffen sind!«
    Ich konnte nicht mal darüber lachen. Je näher der bewußte Abend kam, desto nervöser wurde ich. Rolf begriff das nicht.
    »Du hast doch wirklich einen herrlichen Vogel! Wenn diese Schotten schon nach Deutschland kommen, dann wollen sie doch nichts über Schottland erfahren, sondern etwas über die hiesigen Verhältnisse. Erzähle ihnen, was ein Pfund Butter kostet oder wie viele Hunde es in Deutschland gibt.«
    »Woher soll ich das wissen?« Ich ließ mich nicht davon abbringen, daß man mit Schotten über Schottland spricht. In der Monlinger Leihbücherei trieb ich ein Buch über Großbritannien auf, und als ich auch ein Kapitel über Schottland entdeckte, nahm ich es mit. Nach gründlichem Studium der 37 Seiten wußte ich endlich, daß man in Schottland hochwertige Schafe züchtet, Fischfang betreibt, Whisky brennt und zwischen den Lowlands und den Highlands zu unterscheiden hat. Der echte Schotte stammt aus den Highlands. Weil ich nicht wußte, wo die McBarrens ansässig waren, beschloß ich vorsichtshalber, dieses Thema auszuklammern.
    Der gefürchtete Abend war da. Rolf hatte vergessen, Blumen zu besorgen, und inspizierte den Garten. »Ob ich ein paar Wicken abschneide?«
    »Die sehen so popelig aus. Du wirst dich wohl von den Nelken trennen müssen!«
    »Aber mehr als fünf Stück kommen nicht in Frage! Die blühen doch erst seit drei Tagen, ich hab’ sie noch gar nicht richtig genießen können.«
    »Wer hat eigentlich das Gerücht aufgebracht, nur Schotten seien geizig?« fragte ich hinterhältig.
    Rolf knurrte, schnitt noch zwei Blümchen ab und wickelte den Strauß in hellbraunes Seidenpapier. Es stammte aus einem alten Schuhkarton und war schon etwas zerknittert.
    Die alten McBarrens sahen gar nicht schottisch aus, trugen ganz normale Kleider und begrüßten uns mit vielen netten Worten, von denen ich nicht eins verstand.
    Rolf krächzte ein höfliches »How do you do, glad to meet you« und versank in dem angebotenen Sessel, aus dem er nur immer dann auftauchte, wenn er nach seinem Glas griff.
    Auf dem eckigen Couchtisch standen Salzmandeln, Aschenbecher und Wassergläser. Frau McBarren jun. kam mit Eiswürfeln, Herr McBarren sen. schälte eine dickbauchige Flasche aus dem echt schottischen Einwickelpapier.
    »It’s the finest we have!« erklärte er und goß die Gläser dreiviertel voll. »Cheers!« Er kippte den Inhalt auf einen Zug hinunter. Mit schottischen Sitten nicht vertraut, nahm ich an, daß ich mein Glas nun auch austrinken müßte. Also lächelte ich freundlich, sagte »Cheers!« und trank. Das Zeug brannte wie Feuer. Ich bekam einen Hustenanfall, kriegte keine Luft mehr, aber McBarren sen. klopfte mir nur hilfreich auf den Rücken und sagte verständnisvoll: »It’s the finest we have!«
    Viel mehr sagte er später auch nicht. Dafür redete ich! Schon nach kurzer Zeit spürte ich die Wirkung des Whiskys, verlor alle Hemmungen, quasselte wie ein Wasserfall ohne Rücksicht auf grammatikalische Regeln oder besonders elegante Redewendungen der englischen Sprache, kam von König Duncan über die Schafzucht zur wirtschaftspolitischen Lage Schottlands und weidete mich an Rolfs ungläubigem Staunen.
    Er hatte mich ja schon immer unterschätzt! Aber daß ich so gut Englisch sprach, hatte ich selbst nicht gewußt.
    Dann trank ich mein zweites Glas Whisky, und dann war plötzlich alles aus. McBarren sen. hatte zwei Gesichter bekommen, die dauernd ineinanderliefen, unser kümmerlicher Nelkenstrauß wuchs sich zu einem riesigen Bukett aus, aber was viel schlimmer war – ich hatte mein Gedächtnis verloren! Mir fiel keine englische Vokabel mehr ein. Totaler Blackout!
    McBarren legte meine plötzliche Schweigsamkeit falsch aus und schenkte nach. »Cheers!«
    Nun war schon alles egal! Entschlossen griff ich nach dem Glas. Vielleicht würde mich sein Inhalt wieder erleuchten.
    Keine Spur von Erleuchtung. Mir wurde bloß schwindlig.
    Die McBarrens warteten und schwiegen.
    »Und nun wollen wir alle zusammen singen!« hörte ich mich plötzlich auf deutsch sagen.
    Weshalb ich das unbedingt wollte, weiß ich nicht. Ich kann überhaupt nicht singen, und außerdem habe ich mich seit jeher mokiert, wenn irgendwo ein feuchtfröhlicher Abend mit dem Absingen gemeinsamer Lieder beendet wurde. Trotzdem legte ich los: »My heart is in the Highlands… «
    Etwas anderes fiel mir nicht ein, und ich

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