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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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hoffte bloß, daß es schottisch war.
    Nach anfänglichem Staunen fielen die McBarrens ein und sangen alle Strophen herunter. Ich kannte bloß die erste. Dann sangen sie noch etwas Gälisches, aber bevor sie ihr gesamtes Repertoire an Heimatliedern herunterspulen konnten, mahnte Rolf zum Aufbruch. Ich hatte nichts dagegen und erhob mich.
    Hoppla! Meine Beine waren aus Gummi, mein Kopf ein aufgeblasener Luftballon, und meinen Orientierungssinn hatte ich auch verloren. Vorsichtig peilte ich die Tür an. »Da mußt du durch!« sagte ich zu mir, »und zwar genau in der Mitte!«
    Wie ich es geschafft habe, weiß ich nicht mehr. Angeblich soll ich mich sogar noch für den reizenden Abend bedankt haben. Aber kaum hatte sich die Haustür hinter uns geschlossen, sackte ich zusammen. »It’s the finest we have!« sagte Rolf und brachte mich nach Hause.
    Ich kann nur hoffen, daß die McBarrens vor ihrer Rückreise nach Schottland noch eine andere deutsche Familie kennengelernt haben. Das Fremdenverkehrsamt möge mir verzeihen, aber gegen selbstgebrannten schottischen Whisky ist kein Kraut gewachsen!

Zehntes Kapitel
    Tante Lotti machte ihre Drohung wahr. Sie rief mich eines Morgens aus Celle an, wo sie die betagte Kränzchenschwester ihrer schon längst verstorbenen Tante besucht hatte, und erklärte rundheraus, daß diese Dame senil und keineswegs das sei, was sie sich unter einer verwitweten Juweliersgattin vorgestellt habe.
    »Denk dir, Liebes, sie trägt Kittelschürzen und schneidet die Kartoffeln mit dem Messer! Natürlich werde ich meinen Aufenthalt hier sofort abbrechen. Hildchen Bergdoll – du kennst doch sicher die entzückende Tochter meiner Nachbarin? Sie ist seit drei Jahren verheiratet und wohnt jetzt in der Nähe von Wiesbaden –, also Hildchen erwartet mich in vierzehn Tagen, im Augenblick ist sie noch im Urlaub in Österreich… wo war ich stehengeblieben? Ach ja, wie gesagt, zu Hildchen kann ich erst Mitte des Monats weiterfahren, und da dachte ich, nun könnte ich endlich mein Versprechen wahrmachen und zu euch kommen. Morgen früh um elf bin ich in Düsseldorf Rolf wird mich sicher vom Bahnhof abholen. Ich freue mich schon sehr, Liebes, und du weißt ja: Keinerlei Umstände meinethalben. Ich stelle überhaupt keine Ansprüche!«
    Die stellte sie nie. Trotzdem schaffte sie es regelmäßig, die gesamte Familie in Trab zu halten. Das fing beim Pfefferminztee an, den sie morgens am Bett serviert wünschte (»Mein Magen braucht etwas zum Anlaufen!«), und endete Punkt 22 Uhr mit einem Glas lauwarmer Milch, damit der Magen beruhigt schlafen gehen konnte. Zwischendurch benötigte er, der bei entsprechenden Gelegenheiten aber auch Gänsebraten und Schweinshaxe vertrug, geschlagene Bananen, Rotwein mit Ei, Biskuits oder auch mal ein dünnes Stüllchen mit Kalbsleberwurst. »Und keine Alkoholika, Liebes, die sind Gift für den Magen! Höchstens mal ein Gläschen Portwein oder Sekt, aber nur ganz trockenen!«
    Rolf sagte zunächst gar nichts, als er von dem bevorstehenden Besuch hörte. Erst als ich ihn bat, mir beim Transport von Saschas Kinderbett in Svens Zimmer zu helfen, moserte er: »Wie lange bleibt sie denn?«
    »Voraussichtlich zwei Wochen.«
    »Zwei Tage sind schon zuviel! Ich hab’ ja nichts gesagt, als deine liebeskranke Freundin sich im vergangenen Jahr bei uns eingenistet und mir stundenlang erzählt hat, auf welche Weise sie sich umbringen will. Ich habe auch die merkwürdige Tante mit ihrem verfetteten Pekinesen ertragen, obwohl ich dieses asthmatische Vieh am liebsten ersäuft hätte. Ich habe stillschweigend zugesehen, wie dein Onkel Henry drei Abende lang aus meinem teuren ›Côte du Rhône‹ seinen Glühwein zusammengepanscht hat, aber diese Logiergäste sind wenigstens nach ein paar Tagen wieder abgereist. Manche Gäste kommen einem ja sehr entgegen, wenn sie wieder gehen. Aber Tante Lotti ist kein Gast, sie ist eine Heimsuchung! Es ist überhaupt ein Nachteil der Düsenflugzeuge, daß es jetzt keine entfernten Verwandten mehr gibt!«
    »Sie kommt mit dem Zug, und du sollst sie abholen!«
    »Ich denke gar nicht daran! Fahr doch selber!«
    Eigentlich sah er es nicht gern, wenn ich mich allein in den Großstadtverkehr wagte, aber die möglichen Folgen erschienen ihm wohl weniger schrecklich als die Aussicht, mindestens eine Stunde lang mit Tante Lotti in einem Auto eingesperrt zu sein.
    »Du mußt unterwegs noch tanken!« rief er mir nach, als ich vorsichtig vom Garagenhof fuhr. Damals gab es

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