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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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noch keine Selbstbedienungs-Tankstellen, kein Herumfummeln am verklemmten Tankschloß, kein Hantieren mit dem Benzinschlauch, der entweder zu kurz ist oder sich beim versehentlichen Loslassen wie eine Kobra aufbäumt – damals kam ein netter Tankwart, der das Auto tränkte, die Windschutzscheibe putzte und einen freundlich auf die angezogene Handbremse aufmerksam machte, wenn der Wagen unbegreiflicherweise zu bocken anfing.
    Am Ortsende von Monlingen gab es eine Tankstelle. Den Tankwart kannte ich, er hatte meine Fahrversuche vom ersten Tag an verfolgt und mich gelegentlich ermuntert: »Jeder Trottel kriegt irgendwann den Führerschein, Sie werden es auch mal schaffen!«
    Die Tankstelle war mir also bekannt. Nicht bekannt war mir die Tatsache, daß man unlängst neben die Einfahrt einen Grenzstein gesetzt hatte. Es knirschte häßlich, ein bißchen schepperte es auch, aber zum Glück erschien niemand, um mit teilnahmsvoll grinsendem Gesicht die Schleifspur am Wagen zu besichtigen. Das Nummernschild war auch ein bißchen verbogen, aber die kleine Beule am Kotflügel mußte nicht unbedingt von mir stammen. Wer weiß, wo Rolf die geholt hatte. Langsam setzte ich zurück, bemüht, das widerliche Kratzen zu überhören, dann fuhr ich mit neuem Anlauf los und kurvte elegant vor die Zapfsäule.
    »Bitte volltanken!«
    Der Tankwart wischte sich die Hände an einem Lappen ab, musterte mit bedenklicher Miene die frische Schleifspur und sagte zweifelnd: »Tja, ich weiß nicht, ob ich Ihnen noch Benzin geben soll. Sieht aus, als hätten Sie schon genug!«
    »Diese Bemerkung kostet Sie das Trinkgeld!« sagte ich hoheitsvoll.
    Er griente. »Das kriege ich von Ihrem Mann, wenn ich ihm erzähle, wie Sie das geschafft haben!«
    Tante Lottis Zug hatte Verspätung. Nervös lief ich auf dem Bahnsteig hin und her, sah dauernd auf die Uhr und überlegte, was ich machen sollte. Ich stand im Parkverbot, und außerdem würde im Backofen die Ente anbrennen. Die gefüllte Blumenvase für Tante Lottis Zimmer hatte ich in der Badewanne vergessen, Sascha hätte ich noch sagen müssen, daß er sich ein sauberes T-Shirt anziehen soll…
    Immer, wenn man eine Telefonzelle sucht, findet man keine. Endlich entdeckte ich sie. Natürlich besetzt. Ein weiblicher Teenager wollte von jemandem wissen, ob sie Harry einen Plüschaffen oder lieber eine Dreiklanghupe schenken solle. Nach fünf Minuten hatte man sich auf zwei Paar Tennissocken geeinigt, und die Anruferin räumte das Feld. Ich nahm gerade den Hörer ab, als der verspätete D-Zug angekündigt wurde. Was jetzt? Ente oder Tante Lotti? Ich wählte die Ente. Tante Lotti würde wütend sein, aber wenigstens nicht ankokeln können.
    Sven war am Apparat. »Ruf mal ganz schnell Papi ans Telefon!«
    »Der ist nicht da!« erklärte mein Sohn.
    »Wo ist er denn?«
    »Er ist draußen und sucht mich!«
    Heiliger Himmel! Kaum läßt man Mann und Kinder allein… Wieso war Sven eigentlich schon zu Hause? Notfalls hätte der ja auch die Ente… Egal, dann würde es eben Eierkuchen geben. Die wären für Tante Lottis Magen sowieso bekömmlicher.
    Sie thronte auf ihrem großen Koffer am hintersten Ende des Bahnsteigs und sah mir mit anklagender Miene entgegen. Um sie herum stapelten sich noch ein mittelgroßer Koffer und ein kleiner Koffer und zwei Hutschachteln. In einer davon befand sich immer der Reiseproviant sowie eine Thermosflasche mit Kamillentee.
    »Der Zug hatte über eine Viertelstunde Verspätung. Wäre er pünktlich gewesen, dann würde ich jetzt schon seit zwanzig Minuten hier warten. Ein derartiges Verhalten ist lieblos. Würdest du jetzt bitte einen Gepäckträger besorgen? Oder gibt es hier auch nur diese unhandlichen Wägelchen?«
    »Gepäckträger sind genauso ausgestorben wie Hutschachteln!« Mißmutig betrachtete ich das umfangreiche Gepäck. »Warum schleppst du denn deine gesamte Garderobe mit?«
    »Ich bin seit vier Wochen unterwegs, mein Liebes, und es hat ja nicht jeder eine Waschmaschine. Ich hoffe doch, daß du eine besitzt, denn ich habe kaum noch etwas Sauberes zum Anziehen.«
    Auch das noch! Tante Lotti trug mit Vorliebe Spitzenblusen, weil die sie am vorteilhaftesten kleideten, aber das Bügeln überließ sie nach Möglichkeit anderen. Ihre Arthritis verbot allzu langes Stehen.
    In drei Etappen schleppte ich die Koffer zur Treppe – Tante Lotti trug die Schachtel mit Kamillentee –, dann schleifte ich sie einzeln die Treppe hinunter, lud sie auf einen Kofferkarren, fuhr damit zum

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