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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Parkplatz, wuchtete das Gepäck ins Auto, entfernte den Strafzettel von der Windschutzscheibe (wo sind die Zeiten geblieben, als das Autofahren noch mehr Geld kostete als das Parken?), half Tante Lotti beim Einsteigen, klaubte den Inhalt der heruntergefallenen Handtasche auf, schloß die Tür, ging um den Wagen herum, stieg selber ein, suchte nach den Schlüsseln und – fand sie nicht.
    »Ich hab’ die Autoschlüssel verloren!«
    »Wo denn?« fragte Tante Lotti.
    »Wenn ich das wüßte, hätte ich sie ja wohl nicht verloren!«
    Angestrengt überlegte ich. Es konnte eigentlich nur oben an der Treppe gewesen sein, als ich mir den großen Koffer auf den Fuß gestellt und hinterher versucht hatte, den weißen Schuh notdürftig mit einem Taschentuch zu säubern.
    »Ich muß noch mal zurück, Tante Lotti, vielleicht liegen sie auf der Treppe.«
    Dort lagen sie nicht, auch nicht auf dem Bahnsteig. Und die Reserveschlüssel hingen zu Hause am Schlüsselbrett, damit sie auch immer griffbereit waren! Was jetzt? Autowerkstatt? Sinnlos, die haben alle Mittagspause. Plötzlich hatte ich eine Erleuchtung: Schlüsseldienst!
    Wo war der nächste? Eilmarsch zur Telefonzelle. Diesmal war sie leer. Und was lag dort auf dem zerfledderten Telefonbuch? Erleichtert griff ich nach dem Etui und rannte zurück zum Parkplatz.
    Tante Lotti unterhielt sich angeregt mit einem Polizisten. »Und Sie meinen, Schloß Benrath ist wirklich sehenswert? Dann werde ich meine Nichte bitten, mich einmal dort hinzufahren. Es war sehr liebenswürdig von Ihnen, mich darauf aufmerksam zu machen, Herr Wachtmeister!«
    Sie kurbelte das Fenster wieder hoch. »Ein äußerst zuvorkommender Mensch!«
    »Wahrscheinlich hat er sein Soll an Strafzetteln schon erfüllt. Ich habe auch einen gekriegt.«
    »Warum hast du mir das nicht früher gesagt? Verlorene Schlüssel sind höhere Gewalt, das hätte ich ihm schon begreiflich gemacht.«
    »Da kennst du aber die Parkplatzhyänen schlecht!«
    Wütend trat ich aufs Gaspedal und fädelte mich in den Verkehr ein.
    Während der Heimfahrt erging sich Tante Lotti in anklagenden Schilderungen der letzten drei Tage. Der Tee war zu dünn und die Juwelierswitwe zu geschwätzig gewesen; die Aufwartefrau hatte nicht einmal das Bett richtig aufgeschüttelt, keine Schuhe geputzt und strikt abgelehnt, Tante Lottis Morgenrock zu waschen.
    »Der Begriff ›Gastfreundschaft‹ scheint allmählich auszusterben. Wenn ich an die Zeit meiner Jugend zurückdenke… Manchmal hatten wir wochenlang Hausgäste, mitunter recht anspruchsvolle, aber nie ist uns irgend etwas zu viel geworden. Jeder Wunsch wurde erfüllt! Einmal hat der Kommerzienrat Petersen zu Papa gesagt, er fühle sich bei uns heimischer als in seinem eigenen Haus.«
    Ob Tante Lotti wohl jemals begreifen würde, daß mit den Kommerzienräten auch die herrschaftlichen Villen samt ihren Gästezimmern, Hausmädchen und Köchinnen ausgestorben sind? Frau Koslowski würde kaum bereit sein, Tante Lottis Gesundheitstreter zu putzen oder ihr den Tee hinterherzutragen.
    Rolf hatte sich selbst übertroffen! Der Tisch war gedeckt, die Ente genau richtig, die Jungs hatten saubere Hände und die Servietten eine dekorative Form.
    »Hast du prima gemacht, vielen Dank!« flüsterte ich ihm zu, bevor er leise fluchend die Koffer ins Haus schleppte.
    »Bedank dich bei Dorle!« flüsterte er zurück. »Wenn sie nicht eingesprungen wäre, hätten wir jetzt gegrillte Holzkohle. Wie kannst du mich mit einem halbfertigen Vogel und zwei halbfertigen Kindern allein lassen? Wo habt ihr bloß so lange gesteckt? Ich dachte schon, es ist was mit dem Wagen!«
    Die Schramme auf der anderen Seite hatte er noch nicht bemerkt, aber der Zeitpunkt zum Beichten war momentan denkbar ungünstig.
    Inzwischen hatte Tante Lotti das Haus von außen besichtigt und war nun bereit, auch das Innere in Augenschein zu nehmen. Als erstes mißfiel ihr die Treppe.
    »Ich nehme an, mein Zimmer befindet sich im oberen Stock. Das ist natürlich sehr beschwerlich für mich, weil ich Treppensteigen nach Möglichkeit vermeiden soll. Aber vielleicht kann ich mein Mittagsschläfchen hier im Wohnzimmer halten. Oder bei schönem Wetter auf der Terrasse. Ihr habt doch sicher einen bequemen Liegestuhl?«
    »Haben wir alles, Tante Lotti, auch Kissen, Decken, Schlaftabletten und Kamillentee! Möchtest du dich vor dem Essen noch ein bißchen frisch machen? Sven wird dir dein Zimmer zeigen.«
    »Is ja gar nich ihrs! Is ja Sascha seins!« korrigierte

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