Radau im Reihenhaus
lautstark erkundigte: »Willste Kaffee oder Tee? Wir haben beides gekocht.«
Rolf fuhr hoch, überblickte angewidert das Stilleben von mittelschwarzem Toast, Knäckebrot sowie Marmeladespuren an Tassen, Tellern und Tablett und floh ins Bad.
Während ich meinen lauwarmen – aber schon sehr lauwarmen – Kaffee trank, tauchte der Gatte mit kurzer Unterhose und vorwurfsvollem Gesicht wieder auf. Himmel ja, die Jeans!
»Mache ich gleich als erstes«, versprach ich, wickelte mich in meinen Bademantel und eilte, leicht paniert mit Toastkrümeln, in die Küche.
Die erste Spur einer bösen Vorahnung zeichnete sich ab, als ich den Haufen Bügelwäsche sah, der über den Wäschekorb quoll. Tapfer kämpfte ich um den Erhalt meines guten Mutes und sagte mir: »Das sieht ja bloß so viel aus, dazu brauchst du höchstens zwei Stunden, und früher sind die Hühner sowieso nicht gar!«
Die Kinder kreuzten auf und forderten nun ihrerseits Frühstück. »Könnt ihr euch das nicht auch allein machen? Die Corn-flakes stehen im Wandschrank, und wo die Milch ist, wißt ihr ja.«
Eine Zeitlang war nichts zu hören als das Zischen des Dampfbügeleisens und das Knistern der Corn-flakes, wie sie auf den Küchenboden fielen.
An einem ganz normalen Wochentag wäre Rolf jetzt schon in salonfähigem Aufzug auf dem Weg zu irgendeinem Kunden, Sven in der Schule und ich auf der täglichen Einkaufstour. Aber der Samstag hat ja etwas Besonderes zu sein, und so war ich, als es neun schlug, noch immer ungewaschen und trat barfuß auf die Knusperflocken am Boden.
Zwei Stunden später war ich immerhin schon angekleidet und hatte beim flüchtigen Aufräumen in der Küche entdeckt, daß sich die Cornflakes-Spuren bis ins Wohnzimmer zogen. Ich präparierte gerade die Hühner, als Sven mit mürrischem Gesicht erschien: »Wann fahren wir denn nu endlich los?«
»Bald«, versprach ich ihm. »Die Hühner müssen erst in den Ofen, und Papi ist ja auch noch nicht fertig. Eigentlich könntet ihr ihm ein bißchen helfen.«
Draußen verfluchte Rolf fortwährend den Rasenmäher, der noch immer nicht funktionierte.
Eigentlich müßte ich erst mal die Küche aufwischen, weil ich dauernd mit den Sohlen am Fußboden klebte. Andererseits war es idiotisch, damit anzufangen, bevor die Hühner im Ofen steckten. Während ich die Corn-flakes vom Wohnzimmerteppich saugte, überlegte ich, was ich zuerst machen sollte.
Ausgerechnet in diesem Augenblick klingelte das Telefon. Tante Lotti war dran. Sie wollte sich noch einmal für die reizende Fürsorge bedanken und vor allen Dingen das Rezept durchgeben, auf das die Damen Ruhland so erpicht waren. Sie erklärte – wirklich unnötig lange –, wie man das Kaninchen spicken müsse, woraus sich die Beize zusammensetze, und daß man keinesfalls Buttermilch nehmen dürfe. Danach berichtete sie – wirklich unnötig lange –, wie interessant es im Spielkasino gewesen sei. Als sie endlich den Hörer auflegte, roch es angebrannt.
Die Hühner! Dabei hatte ich den Herd doch nur auf »volle Kraft« gestellt, damit er erst einmal richtig heiß wurde. Die schönen schwarzen Stücke würde ich natürlich selbst essen.
Der Briefträger brachte eine Ansichtskarte aus Italien. Heinzes waren in die Ferien gefahren, und seitdem herrschte himmlische Ruhe. Kein Motorroller knatterte, kein Conni kläffte, und das ferngesteuerte Modellflugzeug von Hendrik hatte vorübergehend Startverbot. Etwas neidisch betrachtete ich Meer und Palmen. Auf der Rückseite stand: »Wie bekommt Ihnen unser Urlaub?«
Die lieben Kleinen erschienen, diesmal mit Riekchen und den Brauer-Zwillingen im Gefolge, und behaupteten, halb verhungert zu sein. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, daß Mittagszeit war. Warum sollten wir das Picknick nicht zum Abendessen umfunktionieren und jetzt schnell eine Kleinigkeit essen? Also schmierte ich ungefähr 14 Weißbrotscheiben mit Nougatcreme und rührte zwei Krüge Schokoladenmilch an. In einem Gewoge von Geräusch und Bewegung aßen die Kinder und verschwanden wieder.
Inzwischen war es eins. Der Gatte kreuzte auf. Halb gemäht war der Rasen schon, aber nun brauchte der fleißige Gärtner ein Bier und einen Imbiß.
»Was hast du bloß die ganze Zeit gemacht?« fragte er kauend. »Die Küche sieht aus wie ein Saustall!«
Bevor ich noch zu einer Rechtfertigung ansetzen konnte, bemerkte Rolf die Anzeichen einer bevorstehenden Explosion, griff nach der letzten Brotscheibe und entfernte sich schleunigst.
Ehe wir abfahren
Weitere Kostenlose Bücher