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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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würden dich bestimmt als Königin anerkennen!“ Eifer schwang in seiner Stimme und seine Augen leuchteten wie die eines jungen Burschen.
    „Dazu ist es zu spät, Giso. Ich gehöre jetzt Gott.“ Sie sah zu ihm auf, ihr Blick war ernst und erschien ihm seltsam weise.
    Er begriff, dass er sie nicht weiter drängen brauchte, ihr Entschluss stand fest. Er kam sich plötzlich alt vor, sehr alt. Was sollte er allein in Thüringen? „Ich lasse dich ungern hier zurück.“
    „Ich weiß. Doch ich habe meinen Platz in der Welt gefunden. Und du, sei vorsichtig, hörst du? Gehe kein unnötiges Risiko ein. Chlothar vergisst seine Feinde nicht.“ Sie kniete vor einem Kruzifix an der Wand nieder. „Bete mit mir!“
    Verlegen erhob sich Giso. Er kannte keines der christlichen Gebete. Und er glaubte auch nicht an diesen seltsamen Gott, der angeblich der einzige war und irgendwie doch aus drei Teilen bestand. Trotzdem kniete er sich neben seine Herrin und faltete die Hände so, wie sie es zeigte. Dann lauschte er dem Singsang ihrer Worte.
    Als sie sich später gegenüberstanden, konnten beide ihre Tränen nicht zurückhalten, denn sie glaubten, dass es ein Abschied für immer sein würde.
    Nachdem Giso zur Tür hinaus war, saß sie noch eine Weile auf ihrem Stuhl. Ihre Gedanken wogen schwer. Hatte sie sich richtig entschieden? Sie hatte die letzte Chance vertan, ihre Heimat wiederzusehen.
Schließlich stand sie seufzend auf. Die Glocke rief zur Vesper.
    Die Frauen versammelten sich in einer einfachen kleinen Kapelle. Sie waren vorwiegend adliger Herkunft und hatten aus ganz verschiedenen Gründen ihre weltliche Umgebung verlassen. Einige waren leichtsinnig in Liebschaften hineingeraten und von ihren Eltern hierhergebracht worden. Andere waren von ihren Ehemännern verstoßen worden, meist weil sie ihnen keine Kinder geboren hatten. Wieder andere suchten hier Zuflucht vor einem Bräutigam, den sie nicht wollten.
    Als Radegunde im Herbst ankam, lebten die Frauen freudlos in den Tag hinein. Sie bekamen zu essen und die einfache Kleidung der Nonnen, doch sie hatten keine Aufgaben. Die Langeweile zwischen den Gebeten und Mahlzeiten zermürbte ihre Gemüter, führte zu Streit und Hader.
    Sie staunten nicht schlecht, als Radegunde nach wenigen Tagen bereits verkündete, sie würden in Zukunft Arme und Kranke zu betreuen haben. In kürzester Zeit hatte sie hinter den Mauern von Saix ein Hospital eingerichtet. Jeden Mittag verteilte sie mit einigen anderen Frauen Brot und Suppe an die Armen, die sich bald in Scharen einfanden.
    Auch an Patienten mangelte es nicht. In der Stadt und ihrer ländlichen Umgebung gab es viele Aussätzige, die Radegunde auf Karren heranschaffen ließ. Von den Ochsenführern und den fahrenden Händlern ließ sie verbreiten, wer immer krank sei oder ein krankes Kind zu Hause habe, sei ihr willkommen. Bald waren die Strohlager in ihrem Hospital belegt. Sie unterwies ihre Nonnen in den Grundlagen der Krankenpflege. Sie zeigte ihnen, wie ein Leprakranker gewaschen wurde, um ihm Linderung zu verschaffen, wie man einem Kind Wadenwickel anlegt, um das Fieber zu senken. Sie holte sich eine kräuterkundige Frau an den Hof, die mit ihnen im nahen Wald heilsame Blüten und Blätter pflückte und Wurzeln ausgrub, und die sie über deren Wirkung belehrte. Sie verlangte von ihren Schützlingen Geduld und Einfühlungsvermögen.

    Anfangs murrten die Frauen und Mädchen über die neue und ungewohnte Arbeit. Doch bald spürten die meisten von ihnen, dass diese Tätigkeit ihnen etwas zurückgab. Nicht nur die Langeweile war aus dem Kloster verbannt, auch ein dankbares Lächeln oder ein schwacher Händedruck kam ihnen mit einem Mal wie der schönste Lohn vor.
    Nach dem Paternoster verließen sie die Kapelle und gingen in den Saal zum Essen. Eine einfache Bohnensuppe mit Brot kam auf den Tisch. Auch das Kochen und Brotbacken hatten die Nonnen selbst übernommen. Das Kloster wurde zu einem geringen Teil durch Spenden finanziert, die sporadisch von den Familien der Frauen kamen. Den Rest musste der Hof selbst erwirtschaften. Radegunde wirtschaftete so sparsam wie möglich, damit genug Mittel für die Kranken übrig blieben.
    Sie setzte sich an die Stirnseite und sprach ein Dankgebet. Dann nickte sie den Frauen freundlich zu und griff selbst nach einem Stück Brot.
    Agnes sah sie strafend an. „Du isst schon wieder nicht richtig!“
    „Aber ja doch!“, entgegnete sie und biss in den grauen Kanten.
    „Nur Brot! Wie soll dein

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