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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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Körper durchhalten?“ Agnes fuchtelte mit ihrem Holzlöffel. „Du arbeitest Tag und Nacht, schläfst kaum und isst nur trocken Brot! Sieh dich an! Du bestehst nur noch aus Haut und Knochen. Wem, glaubst du, tust du damit einen Gefallen?“
    „Mir!“, antwortete sie. „Das ist meine Art, Buße zu tun. Und jetzt finde dich endlich damit ab!“
    Agnes seufzte. Auch sie trauerte um Bertafrid, aber sie verstand die selbstzerfleischende Art ihrer Freundin nicht. Sie hatte die Striemen auf deren Rücken gesehen. Daher wusste sie, dass sie sich nachts geißelte. Der Schmied hatte für sie einen engen Metallgürtel fertigen müssen, den sie stets unter ihrer Kutte trug und der ihr bei jeder Bewegung in die Haut schnitt. Erweckte sie Bertafrid damit vielleicht wieder zum Leben? Sie arbeitete am härtesten von allen. Sie teilte sich nachts zum Dienst ein und erledigte tagsüber die Verwaltungsarbeit. Wann sie schlief, blieb ein Rätsel. Agnes ermahnte sie öfter, sich auch mal auszuruhen, doch sie schüttelte immer nur den Kopf.
    „Solange ich kann, will ich für den Herrn schaffen.“
    „Irgendwann wirst du tot umfallen, dann nützt du dem Herrn nichts mehr!“, hatte Agnes einmal geantwortet, doch Radegunde schlug die Mahnungen in den Wind.
    Am nächsten Morgen klopfte es an ihrem Schreibzimmer, wo sie die Liste der Kranken vervollständigte. Die junge Nonne Fridovigia trat ein. „Herrin, ein Händler ist angekommen mit einer Nachricht für Euch.“
    Sie hob den Kopf. „Sagt er, von wem die Nachricht ist?“
    „Nein. Er will nur mit Euch darüber sprechen.“ Fridovigia hielt sich unbewusst den leicht vorgewölbten Bauch. Ihre Mutter hatte sie im Sommer nach Saix gebracht, nachdem das Mädchen sich geweigert hatte, zu sagen, wer sie geschwängert hatte.
    „Na gut, bring ihn zu mir.“
    Der Mann, der wenig später eintrat, war schon sehr alt. Sein Rücken war so krumm, dass er mit verdrehtem Kopf von unten hochschielen musste, um Radegunde anzusehen. Weißes Haar hing in verfilzten Strähnen über seine Ohren. Auf seinem schäbigen Pelzmantel tauten die Schneeflocken und er verströmte den Geruch der Landstraße.
    „Herrin!“, er verbeugte sich, was durch die Verkrümmung seines Körpers äußerst linkisch aussah. „Ich bringe Nachricht von der Sklavin Salomé.“
    Ihr Herz tat einen Hüpfer. „Oh, wie geht es ihr?“
    „Ich denke, gut, sie sah jedenfalls gesund aus.“
    „Und den Kindern?“
    „Von Kindern habe ich nichts gesehen.“ Aus dem Saum seines schäbigen Kittels zerrte er ein zusammengerolltes Stück Pergament hervor.
    Sie zähmte ihre Neugier und legte es auf das Schreibpult. „Ich danke dir. Hat sie sonst noch etwas gesagt?“
    „Nur, dass es sehr wichtig sei.“
    „Gut, geh in die Küche und lass dir zu essen geben.“ Sie drückte ihm einen Solidus in die schmutzige Hand und er verbeugte sich erfreut, bevor er zur Tür hinaushumpelte.
    Das Pergament war nicht versiegelt, sondern mit einem seidenen Faden fest verknotet. Sie durchtrennte ihn und rollte die Seite vorsichtig auf. Salomé hatte erst in den letzten Jahren schreiben gelernt und ihre Buchstaben waren krakelig wie die eines Kindes. Radegunde erschrak, als sie die wenigen Worte entziffert hatte.
    CHLOTHAR WILL DICH ZURÜCKHOLEN. ICH BETE FÜR DICH! SALOMÉ
    Eine kalte Hand griff nach ihrem Herzen. Zurück an den Hof in Soisson? Zurück in Chlothars Bett? Wie schnell hatte sie sich an ihre Freiheit gewöhnt! Sollte das alles wieder zu Ende sein? Gehetzt blickte sie sich um. Gab es eine Zuflucht, wo Chlothar sie nicht finden würde?
    Ihr Herz raste. Sie ermahnte sich zur Ruhe. Chlothar konnte gerade erst aus Thüringen zurück sein. Er musste erst wieder Kräfte sammeln, bevor er … Allerdings musste er nicht selbst kommen. Er würde einige seiner Grafen schicken. Doch stand sie nicht unter dem Schutz der Kirche? Fröstelnd schlang sie die Arme um ihren Oberkörper. Der Priester von Saix war nur ein einfacher Mönch, er hatte sicher nicht genug Rückgrat, um sich gegen die Männer des Königs durchzusetzen. Und Medardus war weit weg …
    Ratlos starrte sie vor sich hin. Wen konnte sie um Hilfe bitten? Wenn wenigstens Bertafrid noch da wäre! In ihrer Angst übermannte sie erneut der Kummer um den Verlust ihres Bruders. Sie legte den Kopf auf die Knie und weinte haltlos.
    So hörte sie das Klopfen nicht und auch nicht, dass die Tür leise geöffnet wurde. Sie schrak hoch, als sich eine Hand leicht auf ihre Schulter legte. Agnes stand

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