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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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anderen?“ Sie hockte sich neben ihn auf einen schimmeligen Strohsack. Gorrick verschloss die windschiefe Tür sorgfältig, als könne sie allen Unbilden trotzen. Dabei würde das morsche Geflecht schon beim ersten Fußtritt zerfallen. Dann griff er zum Feuerstein und versuchte, der kalten Feuerstelle Licht und Wärme zu entlocken.
    Bertafrid schluchzte verhalten. „Sie sind alle fortgegangen. In der Nacht bin ich aufgewacht, weil sie so laut waren. Amalaberga hat gesagt, die Königsfamilie muss heraus aus dieser Falle. Ich wollte …“ Er zog geräuschvoll die Nase hoch. „Ich wollte dich suchen, da hat sie gesagt, wer nicht da ist, muss eben hierbleiben.“
    Sie zog ihn an sich und wiegte ihn sacht. „Und weiter?“
    „Ich bin weggelaufen, Besa auch. Wir konnten nicht ohne dich gehen.“
    „Das habt ihr gut gemacht. Wo ist Besa?“
    Bertafrid schwieg ängstlich und deutete mit dem Finger in die Ecke hinter der inzwischen qualmenden Feuerstelle. Dort lag ein buntes Bündel. Aus einem Haufen Stoff ragten zwei kurze Beine hervor.
    Besorgt sprang sie auf. „Besa?“ Sie beugte sich über die Zwergin. Deren Gesicht war übersät mit Blutergüssen, aus ihrer Nase lief Blut und tropfte auf den Hüttenboden. Sie hatte die Augen geschlossen, doch ihre Brust hob und senkte sich gleichmäßig.
    „Was hast du mit ihr gemacht?“, fuhr sie auf und stürzte auf Gorrik zu, der dünnes Holz nachlegte.
    „Was man mit Sklaven macht, die nicht tun, was man ihnen sagt. Sie ist nicht gerade gut erzogen!“
    „Sie ist meine Sklavin und sie gehorcht nur mir!“
    „Dann sieht sie keiner guten Zukunft entgegen!“ Gorrik zuckte ungerührt die Schultern und wandte sich ab. „Ich gehe jetzt. Kümmert Euch um das Feuer. Zu Eurer Sicherheit stelle ich einen Mann vor die Tür.“
    „Du wagst es, uns einzusperren?“ Ihre Augen wurden schmal.
    „Es geschieht zu Eurem Besten.“ Schadenfroh fügte er hinzu: „Es ist niemand mehr da, der sonst für Euch sorgen könnte.“
    Als Gorrik fort war, inspizierte sie die Hütte genauer. In der Ecke hinter der Tür fand sie einen Krug mit Wasser und eine schmutzige Tränke für Ziegen. Sie riss ein Stück Stoff aus Besas langem Umhang und wusch ihr behutsam das Blut aus dem Gesicht.
    „Dieser Sohn von Dämonen, was hat er nur mit dir gemacht?“, murmelte sie vor sich hin.
    „Er hat sie geschlagen, und als sie am Boden lag, hat er sie getreten, immer wieder. Bis sie ruhig war.“ Bertafrid senkte den Kopf. „Ich konnte ihr nicht helfen!“
    „Das weiß ich.“ Sie strich ihm übers Haar. „Dich trifft keine Schuld. Eigentlich sollte Besa auf dich aufpassen!“
    „Aber das hat sie getan! Sie wollte verhindern, dass dieser Gorrik mich hierherbringt.“ Er hatte plötzlich leuchtende Augen. „Sie hat ihm ins Bein gebissen!“
    Sie musste grinsen. Das sah Besa ähnlich.
    „Wo ist Kiara?“, wollte der Junge wissen.
    „Ich weiß es nicht. Sie half mir beim Suchen, wir haben uns aus den Augen verloren.“
    Die Zwergin rührte sich und stöhnte.
    „Besa? Bist du wieder in Ordnung?“ Bertafrid kroch zu ihr.
    „Oje, oje!“, presste Besa hervor. „Ich glaube, er hat mir alle Knochen gebrochen.“ Mühsam setzte sie sich auf. Ein Auge war zugeschwollen, doch mit dem anderen strahlte sie.
    „Radegunde, was für ein Glück, dass du da bist! Ich hatte schon das Schlimmste befürchtet.“
    „Kannst du laufen? Wir müssen hier weg, bevor die Schlacht beginnt!“
    „Ich denke, schon! Doch wo willst du hin? Weißt du, wohin Amalaberga und Herminafrid geflohen sind?“
    Radegunde stutzte. „Herminafrid ist auch weg?“
    „Aber ja! Er und Amalafrid kamen uns abholen. Es musste sehr schnell gehen. Sie erzählten von einer verlorenen Schlacht bei Runibergun. Sie wirkten irgendwie … mutlos.“ Besa betastete vorsichtig die Schwellungen in ihrem Gesicht. „Im letzten Moment stahlen Bertafrid und ich uns davon.“
    Radegunde fühlte einen Stich im Herzen und musste tief Luft holen, um das Schwindelgefühl zu bekämpfen, das sie befiel.
    Amalafrid war mit ihnen gegangen.
    Was hatte Germar gesagt? Wenn die Königsfamilie stirbt, sind wir alle verloren. Sie biss sich auf die Unterlippe. Natürlich, Amalafrid war der Erbe des Königreiches. Sie war nur die Nichte.
    „Was hast du über die Schlacht vor dem heiligen Runibergun gehört? Versuch dich zu erinnern!“
    Besa stützte den Kopf auf die Arme und seufzte. „Es ging so schnell, warte … Sie erzählten von einem zweiten Frankenheer, das

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