Radieschen von unten
meist schon getroffen. Beim Herrichten der Verstorbenen ist sie dagegen nie weit gekommen.«
In dem Moment erschien Carlos und holte Martin Ritter in sein Büro.
Ohne Zeugen, der Ausdruck blieb Elfie im Gedächtnis hängen. Wie Juliane Knörringer das Leid trauernder Menschen schamlos zu ihren Gunsten ausnutzte, hatte Elfie schon selbst erlebt. Dass sie offenbar die Frechheit besaß, die Angehörigen sogar direkt nach dem Ableben eines lieben Menschen zu einem möglichst teuren Begräbnis zu überreden, setzte dem Ganzen noch die Krone auf.
Automatisch griff Elfie in ihre Tasche und holte das bordeauxfarbene Notizbuch hervor. Sie schlug die mit dem Bändchen markierte Seite mit Juliane Knörringers Namen auf. Heute hatte diese schon zwei Minusstriche verdient – einen für ihr Verhalten Martin Ritter gegenüber und einen für ihre Habgier, bei der sie wortwörtlich über Leichen ging.
Nach kurzem Zögern fügte Elfie ein drittes rotes Minus hinzu. Wofür das stand, konnte sie nicht benennen – noch nicht. Sie spürte jedoch ganz deutlich, dass hinter Julianes Machenschaften noch mehr steckte.
10.
Alex kuschelte sich an Hubert, genoss seine Wärme, den Geruch seiner Haut.
»In alten Filmen würde ich jetzt die Zigarette danach rauchen«, murmelte er und drückte ihr einen Kuss auf die Haare.
»Untersteh dich!«, drohte Alex spielerisch.
»Ach, Blödsinn, du weißt doch, ich habe noch nie geraucht. Ist außerdem schädlich für den Nachwuchs.«
»Nachwuchs? Na, so weit sind wir ja noch nicht. Da können wir uns ruhig Zeit lassen.« Alex schielte mit halb geschlossenen Augen auf den Wecker.
1.04 Uhr. Sie gähnte verhalten.
»Immerhin werde ich in diesem Jahr vierzig. Ein Kind sollte keine alten Eltern haben.«
Wollte Hubert eine ernsthafte Diskussion mit ihr führen? Um diese nachtschlafende Zeit?
»Ich bin aber erst dreißig und fühle mich deutlich zu jung für Kinder, abgesehen davon, dass ich gerade erst meinen heißersehnten Job bei der Kripo bekommen habe. Außerdem sind wir nicht einmal verheiratet.«
»Nun, das ließe sich schnell ändern …« Hubert war bei seinem Lieblingsthema angekommen.
»Du hast selbst gesagt, dass wir mit dem Heiraten noch warten können.« Alex wurde es langsam unbehaglich.
»Natürlich können wir noch warten, obwohl ich dich lieber heute als morgen heiraten würde«, insistierte Hubert und zog sie fester an sich.
»Heute und morgen sicher nicht. Und jetzt lass uns schlafen! Bald ist die Nacht zu Ende.« Alex entwand sich ihm und drehte sich zur Seite.
»Aber die Sache mit den Kindern meine ich ziemlich ernst. Corinna hat auch gesagt …«
Alex fuhr herum, die Augen weit aufgerissen. »Du redest mit dieser Rieker über unsere Kinder, unsere ungeborenen Kinder? Geht’s noch?«
Sie sprang aus dem Bett, nackt wie sie war. Hubert betrachtete sie wohlgefällig.
»Prüfst du schon nach, ob ich ein gebärfreudiges Becken habe und ob mein Busen zum Stillen geeignet ist?« Alex hörte selbst, dass ihre Stimme unangenehm schrill klang.
Sie griff nach der Bettdecke, wickelte sie um sich und schnappte sich auch ihr Kopfkissen.
»Mach doch deine Kinder mit Corinna Rieker!« Alex stolperte aus dem Schlafzimmer, versuchte, ihr Bettzeug festzuhalten, und wäre dabei fast die Treppe hinuntergefallen.
»Aber Sandra, das mit Corinna war doch …«, hörte sie Hubert hinter sich herrufen.
»Verschon mich mit deiner Corinna! Gegen Hunde ist sie allergisch, gegen Kinder offenbar nicht.«
Huberts Antwort hörte Alex nicht mehr. Sie knallte die Wohnzimmertür hinter sich zu, warf sich bäuchlings aufs Sofa und schrie ihre Wut hinaus. Das erste Mal nach langer Zeit schrie sie wieder. Allerdings erstickte das Kopfkissen ihre Schreie.
Sie fand lange keine Ruhe, fiel irgendwann in einen leichtenSchlaf und träumte von Hubert, der mit der weiß gekleideten Corinna zum Traualtar schritt, gefolgt von sechs Blumenkindern, die alle so dünn und rothaarig waren wie Corinna Rieker. Von der Orgelempore klang das »Ave Maria«. Alex stand ganz vorn in der Kirche, sah dem Hochzeitszug entgegen. Auch sie trug ein Brautkleid, das allerdings in Fetzen an ihr herunterhing. Neben ihr hockte Amadeus mit einem Stück Stoff im Maul, eine weiße Fliege um den nicht vorhandenen Hals. Vom Portal näherte sich Huberts Tante Lydia in einem dunkelblauen Abendkleid. Mit einem Knall fiel die Kirchentür hinter ihr zu.
Alex schreckte hoch. Offenbar war wirklich eine Tür ins Schloss gefallen. Sie
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