Radieschen von unten
sprang auf und sah aus dem Dielenfenster gerade noch, wie Huberts Wagen aus der Ausfahrt schoss.
Noch nie waren Hubert und sie im Streit auseinandergegangen. Vielleicht hatte sie doch etwas überreagiert? Aber nein, sie schüttelte den Kopf. Wie konnte Hubert nur mit dieser Rieker über ein so intimes Thema wie Kinder sprechen, bevor er sich mit ihr selbst darüber verständigt hatte?
Alex warf sich noch einmal auf ihr provisorisches Bett und konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen.
Tränen der Wut? Sie blinzelte sie weg, spürte im gleichen Augenblick etwas Feuchtes an der Hand. Amadeus leckte inbrünstig an ihren Fingern.
Alex schnitt ein Gesicht. Jetzt musste sie sich schon von Lydias Hund trösten lassen. Sie fuhr ihm dennoch liebevoll über den Kopf.
Wenigstens trug er keine weiße Fliege. Und er hatte dank des Pralinenentzuges auch schon wieder so etwas wie einen Hals.
Sie sah auf ihre Armbanduhr. Ach je, sie war viel zu spät dran. Aber der Wecker stand ja auch im Schlafzimmer auf dem Nachtschränkchen. Ihr Handy lag daneben. Hoffentlich hatte Brause noch nicht versucht, sie anzurufen.
Dennoch verwandte sie heute Morgen ausgesprochen viel Zeit auf ihr Äußeres, bändigte ihre Haare, so gut es ging, und ließ die drei obersten Knöpfe ihrer Bluse offen.
Aus dem Auto rief sie im Kommissariat an und teilte mit, dass sie auf dem Weg zur Staatsanwaltschaft sei, um die Genehmigung für die Konteneinsicht bei den Eheleuten Wilfert und ihrem Neffen Manfred Schuler zu bekommen.
»Tut mir leid, aber Herr Doktor Prinz hat in zwanzig Minuten einen Termin bei Gericht. Er hat jetzt sicher keine Zeit für Sie«, bedauerte die Sekretärin. »Aber wenn Sie wegen der Genehmigung für den Zeugenaufruf in den Medien nachfragen wollen – die hat der Staatsanwalt schon erteilt.«
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür. Dr. Prinz kam mit ausgestreckten Armen auf Alex zu.
»Für unsere jüngste Kommissarin habe ich auf jeden Fall noch ein Viertelstündchen. Kommen Sie nur!« Nachdem er die Tür zu seinem Büro hinter sich geschlossen hatte, fügte er hinzu: »Und für unsere hübscheste allemal!«
Alex nahm in dem angebotenen Sessel Platz und kramte in ihrer Tasche herum, um die Röte, die ihr ins Gesicht gestiegen war, zu verbergen.
Dann brachte sie ihr Anliegen vor.
»Kein Problem, was die Konten der Wilferts angeht. Und wie ist es mit diesem Manfred Schuler? Gibt es da ernsthafte Verdachtsmomente?« Der Staatsanwalt sah sie fragend an.
Alex brachte ihn auf den neuesten Stand der Ermittlungen und berichtete von den finanziellen Ungereimtheiten.
Dr. Prinz nickte und reichte Alex die Anweisung für die Banken, ihr die entsprechenden Auskünfte zu erteilen.
Als Alex aufstand und sich verabschieden wollte, sprang auch er auf und bedeutete ihr, sitzen zu bleiben.
»Die Viertelstunde ist noch nicht um«, meinte er und warf einen so intensiven Blick in ihren Ausschnitt, dass Alex das dringende Bedürfnis hatte, alle Blusenknöpfe zu schließen.
Aber warum eigentlich? Sie warf den Kopf in den Nacken und sah ihrerseits Dr. Prinz in die unglaublich blauen Augen.
»Was halten Sie davon, wenn wir unser Gespräch an einem der nächsten Abende in einer nicht ganz so dienstlichen Umgebung fortsetzen?« Die Stimme des Staatsanwalts hatte einen schmeichelnden Unterton angenommen.
Alex schossen in Windeseile Gedanken von ungern gesehenen Beziehungen zwischen Chefs und Untergebenen, von Sex am Arbeitsplatz, von Unzucht mit Abhängigen durch den Kopf.
»Vielleicht treffen wir uns zu einem Abendessen im Königshof?«, fragte Prinz.
Königshof, das war das Stichwort. Da hatte Corinna Rieker ihren Geburtstag gefeiert. Mit Hubert. Ohne sie.
»Gern«, antwortete Alex, etwas erschrocken über sich selbst.
»Dann sehen wir uns dort am Freitag um neunzehn Uhr?«
Alex nickte nur und nahm zur Kenntnis, dass das Viertelstündchen nun wirklich zu Ende war.
Auf dem Weg zu ihrem Wagen knöpfte sie ihre Bluse so fest zu, dass sie kaum noch Luft bekam.
Während sie im Laufe des Vormittags ihre Erkundigungenbei diversen Banken einholte, ging ihr immer wieder der gut aussehende Staatsanwalt durch den Kopf.
Diese blauen Augen, in denen man versinken könnte. Und auch sonst war Dr. Prinz ein Bild von einem Mann. Warum sollte sie nicht mit ihm zum essen gehen? Hubert tat ja auch, was er wollte.
Als Alex mittags im Büro ankam, knurrte ihr Magen laut und vernehmlich. Erst da fiel ihr ein, dass sie nicht
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