Radieschen von unten
erschienen. Sah aus wie Pumuckl. Die Witwe ist in hysterisches Gelächter ausgebrochen, als sie ihn gesehen hat. Der ruiniert noch unseren guten Ruf.«
»Sicher gibt es eine Erklärung dafür«, war jetzt Carlos zu vernehmen. »Ich arbeite gern mit Martin Ritter zusammen. Bei ihm sitzt jeder Handgriff, er weiß, was er tut, und steht zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung.«
»Ja, schon«, entgegnete Juliane. »Aber es nervt mich,dass er während der Arbeit mit den Toten spricht. Der hat doch ein Rad ab. Wenn die Angehörigen das mitbekommen.«
»Lass ihn doch«, sagte Carlos. »Das ist eben seine Art, mit der Belastung umzugehen. Und er sagt ja nichts Respektloses, sondern es klingt immer nett und liebevoll.
»Carlos, warum nimmst du alle in Schutz?« Juliane seufzte. »Du willst nur das Gute in den Menschen sehen. Aber damit kommt man nicht weit, schon gar nicht im Geschäftsleben. Nachdem du jetzt Teilhaber der Firma bist, musst du auch unpopuläre Entscheidungen mittragen. Ich finde, wir sollten uns von Ritter und seinem geschäftsschädigenden Verhalten trennen. Außerdem kommt er immer zu spät. Ich hatte ihn für vier Uhr hierherbestellt. Jetzt ist es schon zwanzig Minuten nach vier, und er ist immer noch nicht da. Ich kann nicht länger warten. Ich muss zur Gärtnerei, wegen der Kränze für morgen.«
Nachdem das Eingangsportal ins Schloss gefallen war, wartete Elfie noch ein paar Minuten, ging dann zum Chefbüro und klopfte an die offen stehende Tür.
»Frau Ruhland, kommen Sie doch herein.« Carlos war aufgesprungen und rückte ihr einen Stuhl zurecht. »Bitte, nehmen Sie Platz.«
Auf seinem Schreibtisch lag ein aufgeschlagenes Fotoalbum. Beim Hinsetzen erkannte Elfie Aufnahmen von Gräbern mit Kränzen.
»Das ist meine Fotodokumentation«, erklärte Carlos mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. »Nach jeder Bestattung fotografiere ich das geschmückte Grab, in erster Linie für die Angehörigen. Denn in ihrer Trauer vergessen sie das oft. Und wenn sie dann daran denken, sind die Kränze meist schon entfernt. Außerdem möchte ich auf diese Weise denVerstorbenen eine letzte Ehre erweisen. Jeder bekommt einen Platz in meinem Album. Sehen Sie mal!«
Er drehte das aufgeschlagene Buch zu Elfie. »Zu jedem Foto notiere ich den Namen des Verstorbenen und das Datum der Bestattung.«
»Das ist eine sehr hübsche Idee«, sagte Elfie. »Andere sammeln Briefmarken und Sie Friedhofsbilder. Bei den vielen Beerdigungen ist da sicher schon eine stattliche Sammlung entstanden.«
»In der Tat, dies ist jetzt Album Nummer dreiundfünfzig.« Er wies auf den Buchrücken, wo eine schwarze 53 prangte. »Die anderen stehen unten im Keller.«
Elfie erinnerte sich an die vielen Alben, die sie bei ihrer Suche nach Unterlagen entdeckt hatte.
Carlos klappte das Album zu und legte es beiseite. »Wie ich sehe, haben Sie schon große Fortschritte bei Ihrer Aufgabe gemacht. Die Inventurberichte sehen richtig professionell aus und sind übersichtlich strukturiert. Dieses System erscheint mir sehr effizient, und wir werden es beim nächsten Mal unbedingt übernehmen. Dafür werde ich sorgen.«
Elfie freute sich, sowohl über die Anerkennung ihrer Arbeit als auch über Carlos’ forsche Zukunftspläne. Doch sie hatte eigentlich etwas anderes auf dem Herzen. Sie wusste nur nicht recht, wie sie das Thema möglichst unverfänglich anschneiden sollte.
»Herr Knörringer«, setzte sie zögerlich an. »Ich wollte Sie wegen der Musik neulich fragen. Das war doch Tango, oder?«
Carlos blickte verlegen zu Boden. »Es war mir sehr peinlich. Ich hatte vergessen, die richtige CD wieder einzulegen.«
»Das braucht Ihnen nicht peinlich zu sein«, wehrte Elfie ab. »Ich war zwar erstaunt, in dieser Umgebung solche Klänge zu hören. Aber die Musik hat mir sehr gut gefallen. Vielleicht kaufe ich mir eine CD. Nur deswegen frage ich.«
Carlos sah sie lächelnd an. »Ja, das war Tango. Ich glaube, ein Stück von Julio de Caro. Freut mich, dass es Ihnen gefällt. Aber Sie brauchen sich keine CD zu kaufen. Ich kann Ihnen gern etwas überspielen. Wir haben eine reichhaltige Sammlung von Tangomusik.«
»Das wäre sehr nett«, entgegnete Elfie. »Zu der Musik kann man doch auch tanzen, nicht wahr?«
»Und wie«, erklärte Carlos voller Begeisterung. »Tango ist ein besonderer Tanz. Man bewegt sich gemeinsam im Rhythmus der Musik, geht ganz im Augenblick auf und vergisst darüber den Alltag.«
»Sie tanzen also auch? Ich würde gern
Weitere Kostenlose Bücher