Radieschen von unten
Der Mops sah sie aus traurigen Augen an. Offenbar fühlte er sich einsam. Alex nahm ihn tröstend in die Arme, vergrub ihr Gesicht in seinem Fell.
Den vorwurfsvollen Blick von Hubert ignorierte sie zunächst, und als sie ihn nicht mehr ertragen konnte, klappte sie das Foto um, so dass es direkt auf dem Verlobungsring lag. Vorsichtshalber drehte sie Hubert den Rücken zu, und mit Blick auf den Rosenstrauß schlief sie ein.
16.
Am Samstagmorgen war Elfie schon früh auf den Beinen. Gegen halb elf traf sie sich mit Alex auf dem Waldfriedhof, um ihr bei der Neugestaltung des Grabes ihrer Eltern behilflich zu sein. Vorher wollte sie aber unbedingt noch zu Ludwig, um das Solar-LED-Grablicht auszuprobieren, das sie gestern gekauft hatte. Sie war neugierig, ob und wie diese neuartige Leuchte funktionierte.
Telefonisch hatte sie Alex vor wenigen Minuten aufgetragen, was sie an Pflanzen bei Blumen-Müller besorgen sollte: »Ich würde Ysander und Frieders Evergreen als Bodendecker vorschlagen, gelbblühenden Gemswurz als leuchtende Ergänzung. Und vielleicht ein paar weinrote Asterbüsche?« Alex hatte offenbar brav mitgeschrieben.
»Ach, bringen Sie noch eine Zuckerhutfichte mit. Die macht sich bestimmt hübsch neben dem Grabstein und wächst nicht gar so schnell. Dieses Gartencenter ist übrigens gut sortiert. Es gibt sicher alles, was wir brauchen. Denken Sie an den Sack mit Dünger! Werkzeug, Handfeger und Gartenhandschuhe bringe ich mit. Ich habe gerade ein Paar neue gekauft. Die können Sie nehmen. Ein altes Paar für mich liegt noch auf meinem Balkon. Ich mache uns außerdem einen kleinen Picknickkorb zurecht, damit wir nach getaner Arbeit etwas zu beißen haben.«
Alex lachte. »Super! Ach übrigens, habe ich Sie gestörtmit meinem Anruf? Ich höre Stimmen, haben Sie Besuch?«
»Um die Uhrzeit? Nein. Im Radio läuft eine Sendung über Statistiken im Zusammenhang mit Glücksspielen.«
»Statistiken, Glücksspiele? Dass Sie sich dafür interessieren, hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut«, meinte Alex überrascht.
In Gedanken ließ Elfie ihren Besuch im Spielcasino mit Paul-Friedrich Revue passieren und lächelte. »Oh, da gibt es sicher noch mehr Dinge, die Sie mir nicht zutrauen würden …«
»Bis gleich dann«, beendete Alex das Gespräch. »Und vergessen Sie nicht, was Sie mir gestern erzählen wollten.«
»Bestimmt nicht«, versicherte Elfie, und ihr wurde etwas mulmig zumute.
Eine halbe Stunde später stand sie vor dem Haus. Und war im Zweifel. Sollte sie mit ihrem Auto fahren oder mit dem Leichenwagen, der noch vor der Tür stand.
Nachdem sie gestern Abend Trixi mit ihrer Angst vor Harry nicht allein lassen wollte, war es zu spät geworden, den Wagen noch zurückzubringen. Konnte sie einfach noch einmal ein Auto nehmen, das ihr nicht gehörte?
Es juckte sie in den Fingern, und so entschied sich Elfie für den Leichenwagen. Sie beruhigte sich damit, dass ihr VW ohnehin wegen der Roststellen geschont werden musste. Bisher hatte sie es immer noch nicht geschafft, mit ihm in die Werkstatt zu fahren.
Nachdem Carlos ihr am Telefon gesagt hatte, dass keine Leiche in dem Sarg lag, konnte sie ja auch guten Gewissens damit zum Friedhof fahren und den Wagen hinterher bei Pietas abstellen. Obwohl, wenn tatsächlich ein Verstorbener im Sarg liegen würde, das hätte auch seinen Reiz …
Sie öffnete die beiden Hecktüren und war im Begriff, den Picknickkorb neben den Sarg zu stellen, was ihr dann jedoch unangemessen erschien. Oder würdelos, um Juliane Knörringers Worte zu benutzen. Außerdem könnten die Sektgläser umfallen und zerbrechen. Das wäre zu schade. So verstaute sie alle ihre Utensilien im Fußraum des Beifahrersitzes.
Als Elfie am Waldfriedhof ankam, machte sich gerade einer der Friedhofsgärtner am Eingangstor zu schaffen. Beim Anblick des Wagens mit dem Pietas-Aufdruck öffnete er sofort das Tor, und Elfie konnte hindurchrollen bis auf den Parkplatz vor der Trauerhalle. Da hatte sie noch nie ihren Wagen abstellen dürfen. Vor lauter Begeisterung wuchs sie geradezu ein paar Zentimeter.
Mit Sack und Pack zog sie zu Ludwigs Grab. Als Allererstes holte sie das LED-Licht hervor. Sie knipste den kleinen Schalter auf on , und das Grablicht begann munter zu flackern, während sie es an seinen Platz in der bronzenen Grablampe stellte.
Na, da war Ludwig aber heute gesprächig. Anfangs belustigt über sein ständiges Geplauder, wurde es Elfie dann schnell zu viel. Sie kam ja überhaupt nicht zu
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