Radikal führen
Tätigkeit besten Leute mit einem hierarchischen Kaminaufstieg zu würdigen, auf dem ihre Fähigkeiten und Neigungen versanden. Fortschritt ist alles, was Talente zu besserer Entfaltung bringt. Es muss daher möglich sein, dass man das tut, was man will und kann, ohne dass es als Rückschritt oder Sackgasse gesehen wird. Wenn Sie Mitarbeiter richtig einsetzen, gibt es keinen Rückschritt. Dieser Begriff setzt die alte Karriere-Leiter voraus. Sie sollte ihre Attraktivität verlieren, indem höheres Prestige und bessere Verdienstmöglichkeiten auch auf der gegenwärtigen Ebene möglich sind. Nur dann werden Menschen nicht mehr in Rollen hineinbefördert werden, zu denen ihnen das Talent fehlt.
Sprechen Sie oft miteinander!
Kontakt statt Lob
Mitte der 80er Jahre arbeitete ich bei der 3M Deutschland. Das Unternehmen hatte eine für die damalige Zeit höchst ausdifferenzierte Personalpolitik. Insbesondere die Mitarbeiterbefragung war als Instrument beliebt und gut eingeführt. Eine der vielen Fragen lautete: »Werden Sie von Ihrem Vorgesetzten ausreichend gelobt?« Würden Vorgesetzte mehr loben, so die Logik hinter dieser Frage, wären die Mitarbeiter motivierter und die Ergebnisse besser. Ich erinnere mich, dass es in einem Werk bei dieser Frage einen desaströsen Ausreißer nach unten gab. Über 80 Prozent der Befragten antworteten mit »Nein«. Der Vorschlag lag nahe: Alle Chefs dieses Werks ins Seminar! Jetzt wird Loben trainiert! Wir machen aus den Jungs Lobwurfmaschinen (das Werk war damals eine damenbefreite Zone)!
»Seit die Menschen reden können«, fasste Robert Gernhardt seine Lebenserfahrung zusammen, »reden sie aneinander vorbei. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn es dabei nicht dauernd zu Missverständnissen käme.« Und genau deshalb setzten wir zunächst keine Seminare auf, sondern besuchten das Werk. Wir schoben die Fragebögen zur Seite und sprachen mit den Leuten. Was wir dann hörten, war etwas ganz anderes als das, was die Konstruktion der Mitarbeiterbefragung den Leuten in den Mund legte. Es wurde schnell klar, dass es ein Kontakt -Defizit gab. Die Führungskräfte schenkten ihren Mitarbeitern einfach zu wenig Beachtung, zu wenig Aufmerksamkeit, zu wenig Interesse. Es fehlte an der Wärme des Umgangs, es fehlte an Herzlichkeit. Das sind aber alles Formen der unbedingten Zuwendung, für die Leistung keine Voraussetzung ist. Dafür hatten die Mitarbeiter aber keine Sprachmünze, zumindest war sie in den Fragebögen nicht angelegt – und verwendeten dafür irreführend das »Lob«. Lob ist aber eine bedingte Zuwendung, das heißt: Leistung wird gegen Lob getauscht. Man konnte zwar auf diese Weise sein Unbehagen deutlich machen, aber lenkte auf die falsche Fährte. Nichts wäre gewonnen gewesen, hätten wir mit den Führungskräften das Loben trainiert.
Ich mache immer wieder die Erfahrung: Da, wo Kontakt ist, gibt es kaum das Bedürfnis nach Lob. Denn Anerkennung war und ist im Kern schon immer Kontakt. Da geht es um Aufmerksamkeit, um eine wohlwollende Beachtung, darum, Gespräche zu führen, großzügig in der Zustimmung und zurückhaltend im Widerspruch zu sein. Kontakt ist eine Form aufrichtiger Nächstenliebe – keine, die sich opfert oder mildtätig herablässt. Sie hat die Form unbedingter Freundlichkeit, grundsätzlich und gegenüber jedem Menschen – egal, ob das Ihr Aufsichtsratsvorsitzender ist oder die Servicedame in der Betriebskantine (was ich bei Personalauswahlentscheidungen besonders intensiv beobachte). Setzen Sie das schlichte Wort »Freundlichkeit«, das jeder versteht und gar nichts Wundersames an sich hat, an die Stelle der »Kommunikation«! Mit Blick auf Mitarbeiter müssen Sie sogar bereit sein, sich zu Höflichkeit, Anstand und Freundlichkeit zu zwingen. Von Ihnen als Führungskraft kann man Selbstkontrolle fordern. Man kann von Ihnen fordern, nicht zornig zu werden, nicht wütend, nicht ausfallend. Was auch für Sie selbst in einem egoistischen Sinne klug ist, weil es die Freude am eigenen Leben verstärkt.
Eine kontaktstarke, warme und freundliche zwischenmenschliche Atmosphäre muss man nicht gleich pompös auf »emotionale Intelligenz« zurückführen – Aufmerksamkeit, Natürlichkeit und Entspanntheit reichen dafür völlig aus. Speisen Sie Ihre Mitarbeiter nicht ab mit schnellem und billigem Lob. Schenken Sie ihnen stattdessen das Wertvollste, das Sie haben: Ihre Lebenszeit. Schenken Sie Anwesenheit. Bleiben Sie in Kontakt.
Sich Zeit nehmen
Woran können
Weitere Kostenlose Bücher