Radikal führen
»eingeschrieben«.
Das wirft auch ein Schlaglicht auf das E-Mail-Schreiben. Zweifellos, E-Mails sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken und haben unbestreitbare Vorteile. Aber wir kommunizieren durch sie mit einer Maschine, nicht mit Menschen. Es ist eine Ein-Weg-Information, kein Dialog. Sie können die Reaktion des Empfängers nicht spüren; die Maschine wird für Höfichkeit, Taktgefühl und Humor immer unempfänglich bleiben. Und es besteht nicht die kleinste Chance, dass noch etwas bisher Undenkbares entsteht, gemeinsam Geschaffenes, gar Kreatives.
Was aber macht man, wenn man auf verschiedenen Kontinenten lebt und Zeitunterschiede berücksichtigen muss? Es gibt sicher Umstände, die E-Mails rechtfertigen – wenn es dazu keine gangbare mündliche Alternative gibt! Und es gibt sie meistens: das Telefon. Ein Telefongespräch ist persönlicher, dialogischer. Sie können allein durch Zwischentöne heraushören, wie der andere reagiert, wie er antwortet – wenn er etwas verantworten soll.
Daher: Mündlichkeit – wann immer es wichtig ist und wann immer es möglich ist. Wenn keine vier Augen möglich sind, dann ist der Telefonhörer besser als eine E-Mail. Eine E-Mail sollten Sie vorrangig dann senden, wenn ein Anhang mitgesendet wird – dann ist diese Form der Kommunikation zu rechtfertigen. Und beachten Sie auch bei E-Mails Höflichkeitsregeln – vor allem, wenn es sich um Rangniedrigere handelt.
Die Kommunikationswissenschaft sagt uns nämlich, dass die Beziehungsebene zwischen zwei Menschen immer die Inhaltsebene dominiert. Wenn der »richtige Draht« zwischen Chef und Mitarbeiter fehlt, werden die inhaltlichen Aussagen von den Beziehungsstörungen nahezu vollständig deformiert. Es sind die vielen kleinen verbalen und non-verbalen Gesten des Nicht-Beachtens, Überhörens und leise Geringschätzens, die niederdrücken. Alles wirklich Wichtige wird dadurch abgefiltert. Daher ist die Beziehung zum direkten Vorgesetzten die Achillesferse der Arbeitszufriedenheit.
Es ist mithin Führungsaufgabe von höchster Priorität, die Beziehungsebene im Team immer wieder anzusprechen. Ziehen Sie sich mindestens einmal im Jahr mit Ihren Mitarbeitern an einen ruhigen Ort zurück und sprechen Sie einen Tag lang über die Beziehungen im Team. Lassen Sie einen Moderator diesen Team-Workshop leiten. Fragen Sie: Wie gehen wir täglich miteinander um? Wie ist unsere Gesprächskultur? Gibt es etwas, was Sie sich von mir wünschen, aber in der operationalen Alltagshektik immer wieder verschieben? Gibt es etwas in meinem Verhalten, was Sie herunterzieht? Und umgekehrt. Wennein solcher Workshop gelingt, ist er die beste Investition in die Produktivität Ihres Teams, die ich kenne.
»... wie dich selbst«
Warum gehen so viele Führungskräfte so wenig kundenorientiert mit ihren Mitarbeitern um? Weil sie sich selbst nicht mögen. Weil sie sich selbst häufig als defizitär erleben, idealisierten Vorbildern hinterherrennen, immer ein Stück hinter ihren eigenen und den Erwartungen anderer landen. Weil sie frühen Zuwendungsmangel kompensieren wollen und daher in Macht- und Führungspositionen einen äußeren Ausgleich für innere Ohnmacht suchen. Weil der Gefühlsstau als Folge der Mangelerfahrung und der Defizitzuweisung nicht nur autoaggressive Selbstbeschädigung fördert (psychosomatische Erkrankungen, Depressionen, latente Unzufriedenheit), sondern vor allem auch die Tendenz stützt, sich aggressiv an anderen abzureagieren. Wer nicht hören kann, lässt andere fühlen.
Nur Menschen, die sich selbst mögen, können andere mögen, können wirklich wirkungsvoll die Leistung anderer organisieren und fördern. Echtheit und Offenheit sind nur für jene möglich, die in ihrer frühkindlichen Entwicklung hinreichend bestätigt, gleichsam mit Liebe »gesättigt« wurden – und damit das Selbstvertrauen entwickeln konnten, das auf kritische Fragen und konfliktäre Auseinandersetzungen angstfrei reagiert. Und nur ein solcher Mensch erlebt die Andersartigkeit des Anderen nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung.
Führung übernehmen sollten daher nur solche Menschen, die lächeln können. Damit meine ich nicht jene falsche Fröhlichkeit (»Have fun!«), die von Immer-gut-drauf-Managern inszeniert wird. Ich meine jene Erlauber-Signale, die von den Mitarbeitern seismografisch sensibel registriert werden. Ich meine ein warmes sozial-emotionales Klima, Rahmenbedingungen, in denen es Freude macht, »zusammen« zu arbeiten.
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