Radikal führen
Jene innere Ausgeglichenheit, die sich an sich selbst, den eigenen kleinen und großen Erfolgen freut. Vor allem aber auch an der Leistung anderer. So steht es schon in der Bibel: »Du sollst deinen Nächsten lieben ... wie dich selbst.« Aber auch das ist eine kleine sprachpädagogische Umdeutung Martin Luthers. Der Originaltext lautet im Hebräischen: »Nur wer sich selbst liebt, kann seinen Nächsten lieben.«
Vertrauen Sie ihnen!
Wozu Vertrauen?
Ohne Vertrauen setzt niemand Kinder in die Welt, betritt niemand einen Fahrstuhl, bestellt niemand etwas über das Internet. Das bringt die fundamentale Bedeutung von Vertrauen auf den Punkt. Auf die Wirtschaft bezogen lässt es sich verlängern: Ohne Vertrauen gründet niemand eine Firma, gibt es keine Innovationen, weder neue Arbeitsplätze noch neue Produkte noch neue Märkte. Und ohne Vertrauen gibt es keine Führung.
Sich führen lassen heißt, sich jemandem anvertrauen. Forschungen zeigen, dass Menschen bereit sind, einem anderen Menschen zu folgen, wenn sie ihm vertrauen – selbst wenn sie seine Ansichten nicht teilen. Sie folgen jedoch nicht, wenn sie zwar seine Ansichten teilen, ihm aber nicht vertrauen. Keine Führungskraft kann Menschen beeinflussen, wenn ihr nicht vertraut wird. Auch für das Führungsparadigma des Mitarbeiters als »Mitunternehmer« ist Vertrauen die einzig mögliche Basis.
Vertrauen ist vor allem unersetzlich, wenn es konfliktär wird: Wenn Sie als Führungskraft etwas für ihre Mitarbeiter Unverständliches tut: zum Beispiel im Dilemma entscheiden, den Störungsauftrag wahrnehmen oder gar Ihre Meinung ändern (das soll ja vorkommen). Wenn Vertrauen vorhanden ist, unterstellen die Mitarbeiter Ihnen nicht sofort Unfähigkeit oder Opportunismus. Sie gehen dann schlicht davon aus, dass Sie gute Gründe dafür haben – selbst wenn sie diese nicht teilen. Mehr noch: Sie verzeihen Ihnen sogar einen gelegentlichen Fehltritt. Sie glauben Ihnen, dass es sich um ein Versehen handelt oder eine Ausnahme. Ihre Mitarbeiter mögen gelegentlich murren, unverständig reagieren, sie mögen auch mal lauthals schimpfen – wenn Vertrauen da ist, wiegen diese Verstimmungen nicht schwer. Vertrauen ist eine belastbare, widerstandsfähige Position.
Wenn das Vertrauen Ihrer Mitarbeiter jedoch fehlt, werden Sie den Widerstand nicht überwinden können, der in jeder hierarchischen Beziehung steckt (»Jedes Folgen aber trägt in sich den Widerstand«, so drückte es Heidegger aus). Dann wird aus einer produktiven Spannung ein nicht zu reparierender Bruch. Mit den entsprechenden negativen Folgen für Ihr Unternehmen. Auf Dauer können Sie nicht gegen Ihre Mitarbeiter führen.
Im Idealfall ist Vertrauen wechselseitig. Für Sie als Führungskraft ist es Ihren Mitarbeitern gegenüber auch eine pragmatische Notwendigkeit. Denn wenn Sie nicht vertrauen, müssen Sie wohl oder übel kontrollieren. Kontrolle jedoch wird zunehmend schwieriger. Die Handlungsspielräume Ihrer Mitarbeiter erweitern sich ständig und sind für Sie als Führungskraft nicht mehr in Gänze und bis ins Detail zu beobachten. Die Aufgaben Ihrer Mitarbeiter werden immer komplexer und auch für Sie unverständlicher. Sie können aber nicht kontrollieren, was Sie nicht beurteilen können. Es bleibt Ihnen hier gar nichts anderes übrig, als zu vertrauen. Hinzu kommt die örtliche Trennung in Unternehmen mit mehreren, gar internationalen Standorten. Trotz aller Möglichkeiten der modernen Kommunikation – vieles bleibt Ihnen verborgen.
Noch komplizierter wird Kontrolle, wenn Sie hochausgebildete Kopfarbeiter führen. Die müssen ihre Arbeit selbst organisieren, und ihre Produktivität ist für Sie als Führungskraft letzten Endes nicht steuerbar. Auch hier müssen Sie sich auf die Resultate verlassen. Sie können die Ergebnisse prüfen, nicht aber den Weg, auf dem diese erzielt werden. Dass dieser gut organisiert ist, darauf müssen Sie vertrauen.
Wenn Sie nun dennoch meinen, Ihren Mitarbeitern nicht vertrauen zu können, wenn Sie daran zweifeln, ob sie eigene Ressourcen der Problemlösung haben, dann haben Sie die falschen Mitarbeiter. Oder vielleicht doch ein grundsätzliches Problem damit, zu vertrauen? Ich empfehle Ihnen: Springen Sie ins kalte Wasser. Vertrauen Sie. Zugegeben, das ist riskant. Und wenn das Risiko wirklich zu groß wird, gar existenziell, dann ist auch kein Raum für Vertrauen, dann sollten Sie nicht zusammenarbeiten. Die Alternative – ein lähmendes Kontrollsystem –
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