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Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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Rekrutieren Sie realistisch  – gegen beidseitige Enttäuschung. Ein Experiment, das bei einer amerikanischen Versicherungsgesellschaft durchgeführt wurde, verwies auf drei Effekte, mittels derer eine realistische Rekrutierung den Verlauf der Eingliederungsphase günstig beeinflusst:
eine verbesserte Selbstselektion der Bewerber,
ein »Schutzimpfungs-Effekt« – Bewerber entwickeln »innere Widerstandskräfte«, die das Auftreten negativer Begleiterscheinungen ihrer Tätigkeit abfedern,
eine intensivere Bindung – wer sich trotz negativer Informationen für eine Stelle bewirbt, fühlt sich stärker verpfichtet (weil »ernst genommen«) als ein Bewerber, dersich nur aufgrund positiver Informationen für eine Stelle entschieden hat.
    Welche Maßnahmen zur realistischen Rekrutierung können ergriffen werden? Ohne Anspruch auf Vollständigkeit schlage ich Ihnen die folgenden vor:
eine ausführliche mündliche (oder auch schriftliche) Information über die Vorzüge und Probleme der angestrebten Tätigkeit im Vorstellungsgespräch;
die nachdrückliche Ermutigung des Bewerbers – schon im Einladungsschreiben -, von sich aus kritische Fragen zur Tätigkeit zu stellen;
das Einräumen der Möglichkeit, mit erfahrenen Mitarbeitern – den potenziellen Kollegen – ohne Beteiligung der Vorgesetzten Gespräche zu führen;
das Einräumen der Möglichkeit, die Tätigkeit »vor Ort« kennenzulernen; zum Beispiel bei einer Außendiensttätigkeit mit einem erfahrenen Mitarbeiter zu reisen.
    Das sind keine Allheilmittel. Aber es kann auf diese Weise gelingen, den Verlauf des Eingliederungsprozesses von Anfang an auf eine klare und realistische Grundlage zu stellen. Denn späte Klarheit ist teuer. Für beide Seiten.
    Wenn Sie jetzt sagen, das alles sei ja schön und gut, aber Personalauswahl sei nicht Ihr Thema, Sie könnten sich Ihre Mitarbeiter nicht aussuchen, hätten sie schon vorgefunden und diese seien überdies praktisch unkündbar – dann sollten Sie überlegen, was Sie da sagen. Sie sollten prüfen, ob SIE sich diese Situation antun wollen. Prüfen Sie ernsthaft den Gedanken, bevor Sie ihn ablehnen: Gehen Sie weg! Gehen Sie dahin, wo Sie – ichwiederhole es – die wichtigsten Aufgabenbereiche mit exzellenten Leuten Ihres Vertrauens besetzen können. Wenn Sie das für theoretisch machbar, praktisch aber unmöglich halten und sich fürs Bleiben entscheiden, dann ist es Ihnen auch nicht wichtig. Jedenfalls nicht so wichtig, dass Sie dafür Konsequenzen ziehen wollen. Deshalb gilt uneingeschränkt: Langfristig hat jede Führungskraft die Mitarbeiter, die sie verdient.

Fordern Sie sie heraus!
Was uns antreibt
    Schauen wir uns ein Kind an, das etwas ausprobiert, dabei scheitert, neu beginnt, wieder scheitert, es erneut versucht . und es plötzlich schafft. Diese Freude! Dieser Jubel! Viele Menschen scheinen vergessen zu haben, was die Voraussetzung für wirkliche Freude ist: das Misslingen. Sie üben nicht mehr, deshalb scheitern sie nicht mehr – aber sie erleben auch nicht mehr den beglückenden Kontrast des Gelingens. Denn Freude erleben wir nur nach Anstrengung, nach Grenzüberschreitung, nach dem Arbeiten gegen Widerstand. Ein Flugzeug startet auch nur gegen den Wind.
    Wir wissen aus der Anthropologie, dass wir alle unsere Kräfte den Problemen verdanken, die uns herausforderten und an denen wir wachsen konnten. Es ist also gerade das Aushalten der Spannung zwischen Gelingen und Misslingen, das für Lernfreude unumgänglich ist – nicht das Abfackeln erfolgsverwöhnter Routine. Das ist Lernen im Wortsinne: »Vorfreude auf sich selbst« (Peter Sloterdijk).
    Vielleicht erheben Sie jetzt Einspruch: »Sind die Menschen denn nicht von Natur aus faul?« Abgelehnt: Wenn es irgendetwas verdient, »natürlich« genannt zu werden, dann ist es unsere Suche nach Spannung, nach Herausforderung, unsere Neugieraktivität, unser Vergnügen am Experiment und daran, sich mit Ungewöhnlichem zu befassen. Alle Menschen haben ein hohes kreatives Aktionspotenzial, das nach Entfaltung drängt. Erst wenn jemand diese natürliche Triebfeder in uns lähmt (mit Belohnungen zum Beispiel), dann werden wir faul und streben nach Lust ohne Anstrengung. Wenn also die Menschen um uns herum leichte Aufgaben bevorzugen, dann vor allem deshalb, weil um uns herum überall belohnt wird.
    Die Verhaltensökologen nennen zwei Vorbedingungen für motiviertes Handeln: Funktionslust und Neugieraktivität. Unter Funktionslust wird verstanden, dass das

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