Radikal führen
spielt dabei eine Rolle, das Abteilungsdenken, Silostrukturen, die Individualisierung von Leistungszurechnung, der Autismus der Expertensysteme, geografische Umstände. Auch die Art und Weise, wie Medien Manager präsentieren, verführt Letztere dazu, sich als einsame Helden zu sehen, die auserwählt sind, ihre Unternehmen zu Höchstleistungen zu führen. Entsprechend unterentwickelt ist bei der heutigen Generation von Führungskräften das Bewusstsein, dass das Ermöglichen von Zusammenarbeit die wichtigste Führungsaufgabe ist. Sie sehen das Unternehmen mehr als prozesshaftes Verknüpfen von Einzelleistungen. Kennzeichnend dafür ist das allgemeine Erstaunen, wenn man »Zusammenarbeit ermöglichen« als die wichtigste Kernaufgabe ausweist.
Das zentrale Problem liegt in der Unwahrscheinlichkeit, dass es Managern dauerhaft gelingt, miteinander erfolgreich zusammenzuarbeiten. Oft wird man ja den Verdacht nicht los, dass gerade auf den Top-Etagen jeder nur seinen eigenen verdeckten Interessen folgt und man lediglich aus taktischen Gründen oberflächlich kooperiert. Diese Unwahrscheinlichkeit der Kooperation hat eine personenbedingte Seite, und eine strukturelle. Wo genau die Grenze verläuft, ist – bis auf wenige pathologische Ausnahmen – schwer zu bestimmen. Aber man tut gut daran, das Strukturbedingte zuerst anzuschauen, bevor man den Scheinwerfer auf den Einzelnen richtet.
Denn weithin unreflektiert ist der Formwandel, dem das Arbeiten unterliegt, wenn man durch die Pforten des Unternehmens tritt. Man muss sich von seinem ausschließlich individuellen Fokus lösen, will man in seiner Rolle als Mit-Arbeiter teilnehmen an einer gemeinsamen Willensbildung, die über selbstversorgerische Grenzen hinausreicht. Das ist ein Lernprozess, der sich nur in einem entsprechenden Klima vollziehen kann. Dafür brauchen wir andere Institutionen, zumindest veränderte, vor allem aber eine andere Praxis innerhalb der bestehenden. Weil die meisten Unternehmen von selbstversorgerischen Eliten geführt werden, besteht ein gefährlicher Widerspruch zwischen der Aufforderung zu mehr Zusammenarbeit und deren strukturellem Dementi sowie dem, was insbesondere das Topmanagement für sich selbst »herausholt«. Der Mitarbeiter reagiert mit Teilnahmslosigkeit.
Die wichtigste Frage lautet daher für eine Führung, die Zusammenarbeit ermöglichen will: Wie löse ich die Spannung zwischen der expliziten Aufforderung zur Kooperation und deren individueller und struktureller Relativierung durch die tägliche Praxis im Unternehmen? Oder, noch konkreter: Wie präsentiere ich eine Aufgabe so, dass sie zur Zusammenarbeit einlädt? Das stellt gleichzeitig die Frage nach den Beziehungen, die aufgebaut werden müssen, um sie zu lösen. Das stellt die Frage nach den Mitarbeitern, die zu echter und vertrauensvoller Zusammenarbeit bereit und in der Lage sind. Das stellt vor allem die Frage nach einer Unternehmensarchitektur, die auf Zugangserlaubnisse, Barrieren, Würdefelder verzichtet und direkt-spontanen Kontakt ermöglicht.
Anerkennt man die Zusammenarbeit als Zentralwert der Unternehmensführung, dann müssen viele Institutionen und Verhaltensweisen neu bewertet werden.
Aus gutem Grund, wie bereits dargelegt, beginnen wir bei den Institutionen.
Institution
Was Zusammenarbeit ermöglicht
Zusammenarbeit ergibt sich nicht von selbst. Sie muss den Menschen und den Umständen oft mühsam abgerungen werden. Im Unternehmen stellt sich täglich die Frage, wie Sie die Einzelinteressen synchronisieren können, wie mehr Zusammenarbeit möglich ist, wie man Gemeinschaftsgeist erzeugt und was uns gegenseitig Rücksicht nehmen lässt. Genauer noch: Wie können Sie in modernen Unternehmen die notwendige Allgemeinheit des sozialen Bandes mit der ökonomisch erwünschten und auch empirisch gegebenen Individualität vermitteln – einer Individualität, die selbstbewusst, zum Teil hoch ausgebildet ist und die sich nicht vom Kollektiv vereinnahmen lassen will?
Es ist klar, dass es auf der Basis von Unterdrückung oder bloßen Verfahrensweisen nicht gelingt, Gruppen oder Organisationen zu integriertem Handeln zu veranlassen. Schon gar nicht auf dem Niveau hochtechnologischer Industriegesellschaften. Dazu ist es erforderlich, dass sich die Akteure gewaltlos und freiwillig auf das Selbstzeugnis der Sachen einigen, um die es jeweils geht. Diese Gegenstände der Erfahrung haben eine Kraft, die wir als Realitätszwang erleben. Und dieser Anspruch, der von den
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