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Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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neben ihrer individuellen Identität auch eine Gruppenidentität. Phänomene wie kollektiver Stolz und kollektive Scham weisen darauf hin.
    Wenn also Individuen eine Absicht teilen, dann löst sich ihre Individualität nicht auf. Sie beabsichtigen ja je individuell eine gemeinsame Handlung. Zudem teilen sie die gemeinsame Handlung auf. Und drittens wissen sie voneinander – von individuellen Absichten und arbeitsteiligen Festlegungen. Aber sie bilden doch ein »Wir«, einen Sozialkörper, in dem sich die Beteiligten wechselseitig ihre Bereitschaft signalisieren, ihren Beitrag zum gemeinsamen Projekt zu leisten. Allerdings nur – und das ist die Bedingung -, wenn die anderen dies auch tun.
    Was resultiert daraus für Führung?
Zusammenarbeit als Kern des Unternehmens
    »Da stellen wir uns mal ganz dumm!« Was in der Feuerzangenbowle der Lehrer Bömmel seinen Schülern empfahl, das sollte auch uns gelingen. Denn um »radikal« zu werden im Sinne von »an die Wurzel gehend«, müssen wir eine scheinbar banale Frage stellen: Warum gibt es Unternehmen? Unternehmen hat es ja nicht schon immer gegeben – und wird es wahrscheinlich auch nicht immer geben. Systemisch gefragt: Wie heißt die Frage, auf die Unternehmen die Antwort sind?
    Stellen Sie sich vor, Sie wollen etwas »unternehmen«. Sie haben Ambitionen. Aber Sie können Ihr Ziel nicht allein erreichen. Es gibt einfach Aufgaben, die überfordern einen Einzelnen: die Sache ist komplex; der Arbeitsaufwand ist groß; an mehreren Orten zugleich können Sie nicht sein. Sie brauchen also Hilfe. Sie brauchen die Hilfe anderer Menschen: ihre Hände, ihre Köpfe, ihre Energie – manchmal auch ihre Herzen. Sie brauchen Mitarbeiter.
    Das ist der Ursprung des Unternehmens. Auf die Frage »Warum gibt es Unternehmen?« lautet die Antwort: Weil es Aufgaben gibt, die man nur zusammen bewältigen kann. Wenn ein Einzelner eine Aufgabe alleine bewältigen kann, sollte er es tun – zumindest aus ökonomischen Gründen. Das ist der Kern: Unternehmen sind um die Idee der Zusammenarbeit herum gebaut, sie sind auf Zusammenarbeit angelegt. Unternehmen sind Kooperations-Arenen.
    »Zusammenarbeiten«, das ist – ausdrücklich! – nicht die Addition von Einzelleistungen. Sondern ein Ergebnis, das im Idealfall nur durch den gleichzeitigen Einsatz aller erzielt werden kann. Das ist Synergie, das ist der Nutzen von Pool-Ressourcen, unterschiedliche Qualifikationen ergänzen sich, ungleiche Kräfte verstärken sich, verschiedene Rollen greifen ineinander, man kennt sich und kann Vertrauensvorteile nutzen. So entsteht Leistungs-Partnerschaft.
    Auch wenn Nobelpreise immer noch an Einzelforscher verliehen werden, auch wenn ein Unternehmen immer noch mit dem Eigentümer oder dem Vorstandsvorsitzenden identifiziert wird: Ein Manager kann nie alleine handeln. Und auch ein noch so leistungsfähiger Chef an der Unternehmensspitze kann ohne die Zuarbeit hervorragender Fach- und Führungskräfte nicht erfolgreich sein. Seine zentrale Fähigkeit ist es, andere für ein Miteinander zu gewinnen.
    Wenn es der Sinn der Führung ist, das Überleben des Unternehmens zu sichern, dann ist die daraus resultierende erstrangige Führungsaufgabe, diesen Wesenskern zu hüten: Zusammenarbeit herbeizu »führen«, die sich von alleine nicht ergibt.
    Verbinden, um zu stärken – darum geht es. Es muss gelingen, das Unternehmen als Solidargemeinschaft mit Blick auf eine gemeinsam zu gestaltende Zukunft zu entwerfen. Es geht dabei weniger um Altruismus. Vielmehr geht es um das Wechselseitige, den Mutualismus, durch den wir alle von unseren gemeinsamen Handlungen profitieren. Es geht um den Punkt, an dem sich das Leben des Einzelnen mit dem Anliegen allerberührt. Alles, was das Gemeinschaftliche fördert, ist dazu hilfreich. Alles, was es behindert, nicht. Letztlich läuft es auf die Frage hinaus, ob man in einem Unternehmen arbeitet oder als Unternehmen.
Was behindert Zusammenarbeit?
    Zusammenarbeit organisieren – die sich von alleine nicht ergibt. Warum dieser Nachsatz? Für ihn gibt es mehrere Gründe.
    Die heute dominierende Form der Unternehmensführung läuft – um mit Giorgio Agamben zu sprechen – auf eine »Enteignung des Gemeinsamen« hinaus, auf einen »Amoklauf« der Segmentierung, die letztlich die Zusammenarbeit als »Grund« der Unternehmens-»Gründung« verhöhnt. Infolgedessen ist das Bewusstsein der wechselseitigen Abhängigkeit in Unternehmen verloren gegangen. Die Arbeitsteilung

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