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Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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Sachen ausgeht, beendet die Beliebigkeit von Interpretationen. Unser Überleben gehört zu den realen Dingen, deren Eigenschaften ganz unabhängig von unseren Meinungen über sie sind. Seine Wirkung ist undiskutierbar. Wir erfahren es als Aufgabe, die notwendig und immer wieder neu gelöst werden muss.
    Die Betriebswirtschaftslehre hat bislang viel zu wenig über den Ursprung der Führung nachgedacht, und damit auch zu wenig über den Ursprung der Zusammenarbeit. Dieser Ursprung ist so unüberbietbar trivial, dass es leicht ist, ihn zu übersehen und damit die Chance zu vertun, zu grundlegenden Antworten zu kommen. Der Ursprung der Zusammenarbeit ist – ein Problem. Genauer: Die Tatsache, dass ein Problem individuell nicht zu bewältigen ist, erfordert Zusammenarbeit. Mit Blick auf die Problemlösung sind wir wechselseitig abhängig; niemand kann ohne den anderen. Und Gesellung erwächst aus der Verständigung darüber.
    Verständigung – sogar unter Gegnern. In einem gemeinsamen Problem können Sie auch mit Ihrem stärksten Widersacher verbunden sein. Warum? Weil Sie ihn brauchen, um das Problem zu lösen. Wirklich brauchen im Wortsinne. Wenn klar ist: Ohne den anderen geht es nicht. Dass er für das gemeinsame Problemlösen nicht ersetzbar ist. Deshalb müssen Sie ihn nicht mögen, aber doch so sorgsam und respektvoll mit ihm umgehen, dass Sie sich nicht selbst schwächen. Das heißt im Umkehrschluss aber auch: Sollten Sie ihn nicht brauchen, besteht kein »Grund« für Zusammenarbeit.
    Wenn also Menschen nicht zusammenarbeiten, dann sind dafür selten individuelle Defizite verantwortlich. Zumeist fehlt ein Problem, das als gemeinsames Problem anerkannt ist. Dann ist keine Kooperationsdividende zu erzielen.
    Wie oft schon stand ich vor Managern, von denen der Vorstand »verstärkte Zusammenarbeit« erwartete – die aber gar keinen Grund zur Zusammenarbeit hatten! Sie hatten einfach kein gemeinsames Problem. Man brauchte einander nicht; man war nicht aufeinander angewiesen. Die Manager (wohlgemerkt: desselben Unternehmens!) standen im Markt oft sogar im Wettbewerb gegeneinander. Man konnte sich deshalb auchluxuriöse Seitausfallschritte wie Dauerkonflikte leisten. Dann pflegte man seine Eitelkeiten, erlaubte sich Abfälligkeiten gegenüber Kollegen, Respektlosigkeiten gegenüber der Führung. Und verlor immer mehr die Marktposition.
    Gemeinsam Probleme zu »wälzen« ist nichts Schlechtes – man muss sich den steinwälzenden Sisyphos (wie es Albert Camus tat) als glücklichen Menschen vorstellen. Einem Irrtum sitzen daher Menschen auf, die gemeinhin Probleme »abwälzen« – und nebenbei die Zusammenarbeit sabotieren.
Struktur der Probleme
    Es müssen also gemeinsame Probleme sein, die wir auf uns selber beziehen und die uns herausfordern. Und wann fordern sie uns heraus? Wenn sie wichtig sind, vielleicht sogar, wie oben angedeutet, überlebenswichtig. Wenn es uns schlecht ginge, lösten wir sie nicht. Wer mit dem Rücken zur Wand steht, der mobilisiert allen erforderlichen Verstand. Je fundamentaler ein Problem ist, umso mehr weckt es uns auf. Nichts ist überzeugender als die Einsicht: »Ja, wir brauchen einander.« Und nichts motiviert mehr als die Erfahrung, dass der eigene Beitrag unverzichtbar für das gemeinsam zu bewältigende Problem ist. Die (Überlebens-) Wichtigkeit ist daher das erste Kriterium eines Problems, das Zusammenarbeit wahrscheinlich macht.
    Das zweite lautet: Probleme müssen in einem hohen Maße selbsterklärend sein. Wenn man erst einmal zwölf Semester BWL studieren muss, um das Problem als Problem zu verstehen, erzeugt es keine Energie. Wer, wie die Kreditinstitute, den Mitarbeitern mit der Cost-Income-Ratio eine hochkomplexe und für den Uneingeweihten unverständliche Zielzahl vor die Nase hängt, der wird kaum erwarten können, dass sie begeistert losrennen.
    Dass diese Forderung an Probleme bei hohem Komplexitätsdruck (vor allem von Seiten der Finanzmärkte) oft nur mit hohem Aufwand einzulösen ist, liegt auf der Hand. Und dazu brauchen wir eben Manager, die diesen Aufwand nicht scheuen – eben, weil sie verstanden haben, dass jener Sozialkörper, den wir Unternehmen nennen, eine Problemgemeinschaft ist, die von Problemen zu immer neuer Selbstdynamisierung angetrieben wird.
Probleme und Ziele
    Das Wort »Problem« hören Führungskräfte ungern. Sie sprechen lieber von »Herausforderungen« oder »Zielen«. In manchen Unternehmen gibt es gar ausgeprägte

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