Radikal führen
Sprachreinigungsbemühungen, um das scheinbar Negative des »Problems« zu vermeiden. Das ist im Unwesentlichen richtig, im Wesentlichen falsch. Alles, was wir können, alle unsere Talente, verdanken wir Problemen. Probleme fordern uns auf, etwas zu verändern, sie lassen uns wachsen, lassen uns lernen, lassen uns neue Sichtweisen und Fähigkeiten entwickeln. Viele Entdeckungen wurden ja keineswegs gemacht, weil Menschen damit Geld verdienen wollten. Sie wollten vielmehr ein Problem lösen und damit der Welt etwas Gutes tun. Probleme sind jedenfalls keine Gegenspieler. Sie sind für uns da. Wenn Probleme gegen uns wären, müssten sie »Contrableme« heißen.
Sprachspielereien? Das sagen jene, denen es schwerfällt, Probleme von Zielen zu unterscheiden. Lassen Sie mich es so klären: Ein Problem hat Gewicht, es muss gelöst werden, damit die Existenz des Unternehmens oder der Unternehmens-Einheit gesichert ist. Ein Ziel hingegen ist »leicht«, es zu erreichen ist wünschbar, aber nicht notwendig; es kann erreicht werden, aber das Überleben des Unternehmens hängt nicht davon ab. Auf den Punkt gebracht: Jedes Problem ist ein Ziel, aber nicht jedes Ziel ist ein Problem. Das Ziel ist der weiträumigere Begriff, aber eben deshalb der schwächere. Wenn Sie aber kein Problem haben, dann greifen Sie nach Ersatz-Problemen – nach Zielen.
Nennen wir ein Beispiel. Wenn Sie fragen: »Was müssen wir erwirtschaften, um in fünf Jahren noch am Markt zu sein?«, dann wird Ihnen Ihr Controller problemlos die entsprechenden Daten liefern – Daseinsfürsorge und -vorsorge eingerechnet. Das ist dann ein Problem, das Sie lösen müssen, wenn Ihnen Ihr unternehmerischer Selbsterhalt wichtig ist. Wenn Sie hingegen fragen: »Wie erreichen wir eine EBIT-Marge von 20 Prozent?«, dann ist das ein Ziel, aber kein Problem. Jedenfalls nicht im Sinne der Überlebenssicherung. Deshalb mangelt es vielen Zielen an Legitimität, was sich in schwacher Motivation äußert. Warum sich dafür einsetzen? Wenn große Teile der Mitarbeiterschaft in den Widerstand gehen, dann liegt der Grund dafür oft in der fehlenden Unbedingtheit der Ziele. Oder sie haben ein Problem nicht als Problem erkannt. Oder nicht anerkannt. Mindestens aber ist die Veränderungsnotwendigkeit nicht evident. Im Umkehrschluss wurde oft beobachtet, dass Mitarbeiter zum Verzicht bereit sind, wenn das Überleben eines Unternehmens bedroht ist. Es bleibt dabei: Zusammenarbeit ergibt sich leicht aus gemeinsamen Problemen; bei Zielen fällt sie schwerer.
Die historische Wurzel eines Unternehmens ist, wie wir gesehen haben, immer ein gemeinsames Problem. Ein Unternehmen, das nicht für sich selbst existiert, ist auf die Probleme seiner Kunden angewiesen. Es verkauft mit seinen Produkten und/oder Dienstleistungen gelungene Problemlösungen für den Kunden. Somit ist es für das Unternehmen notwendig, ein Problem des Kunden zu lösen, um wirtschaftlich überleben zu können. Aus diesem ersten Antrieb ergeben sich wiederum innerhalb des Unternehmens klar zu benennende Probleme, die das Planen und Handeln bestimmen. Dauerhaft gilt: Je näher Sie an den zu lösenden Problemen Ihrer Kunden bleiben, desto klarer ist die Unternehmensführung, desto konturierter sind Sie auf dem Markt, desto leichter bekommen Sie als Führungskraft die Menschen hinter sich. Als Faustformel mag gelten: Was aus der Problem-Wurzel wächst, hat Bestand. Es hat Wurzelkraft. Was lediglich vom Ziel gezogen wird, bleibt schwach.
Man sollte sich also nicht an Steigerung und Mehrung orientieren, sondern – gleichsam negativ – am Überleben. Diesen Unterschied kann man wiederum oft bei Unternehmen beobachten, die sehr lange erfolgreich waren: Der Erfolg ist stetig, die Zahlen sind tiefschwarz, die Zukunft ist heiter. Dann haben Sie als Führungskraft ein anderes Problem: das Problem der Problemlosigkeit. Es gibt dann keinen vernünftigen Grund, etwas zu ändern, gar die Zusammenarbeit zu intensivieren. Wenn Sie kein Problem haben, müssen Sie wohl oder übel mit Zielen vorliebnehmen. Aber erwarten Sie nicht, dass davon die Kraft ausgeht, die einer Problemwurzel entspringt. Das Fehlen der Wichtigkeit erklärt, warum solche Unternehmen oft von kleinen Wettbewerbern an die Wand gedrängt werden: Die können uns ja nicht gefährlich werden! Doch, das können sie. Weil sie sich nicht an Zielen ausrichten, sondern an Problemen.
Was tun?
Wenn Sie eine Idee von Gemeinschaftlichkeit, Verbindung und Zusammengehörigkeit
Weitere Kostenlose Bücher