Radikal führen
vertraglich zu regeln und dann die Vorteile aus der ständigen Verfügbarkeit zu ziehen. Was liegt also näher, als bei zu erwartender Nachfrage sich diesen Mitarbeiter zu »sichern« und damit die Transaktionskosten zu sparen – die Kosten für Information, Beschaffung, Einarbeitung, Verwaltung und Ausbildung von Mitarbeitern? Vor allem aber könnten Sie Vertrauens-Vorteile ausbeuten: Sie kennen den anderen, haben gute Erfahrungen mit ihm gemacht und wollen sein Wissen dauerhaft nutzen.
Dadurch kommt es zu einer grundlegenden Transformation, die in einem toten Winkel des Unternehmensbewusstseins schlummert: Aus Wettbewerbern werden Kooperationspartner! Es geht jetzt um Gemeinsames. Vertrauen ersetzt nun das Misstrauen (sollte es zumindest). Der andere ist ab sofort »zuständig«, leicht erreichbar und stellt seine Arbeitskraft ausschließlich Ihnen zur Verfügung. Man begegnet sich nicht mehr auf dem Markt als Nachfrager oder Anbieter, sondern tritt als Leistungspartner auf. Sie bieten nicht mehr unterschiedliche Produkte an, sondern ein Produkt. Dadurch sinken die Transaktionskosten.
Das also ist der Unterschied: Märkte sind Koordinations-Are nen. In ihnen werden Angebot und Nachfrage koordiniert. Ihr Nachteil ist: Adam Smiths »unsichtbare Hand« mag zwar unsichtbar sein, aber sie ist nicht kostenlos. Es entstehen hohe Reibungsverluste durch Informationsbeschaffung, Preisvergleiche, Verhandlungen – eben Transaktionskosten. Und es herrscht Wettbewerb unter den Marktteilnehmern, also ein »Gegeneinander«.
Unternehmen hingegen sind (wie schon im vorigen Kapitel ausgeführt) Kooperations -Arenen. Angebot und Nachfrage haben sich gefunden, man nutzt Pool-Ressourcen, es geht um Zusammenarbeit, um ein Miteinander. Also um das Gegenteil von Wettbewerb. Man hat die Zusammenarbeit hierarchisch geordnet, sich auf feste Arbeitsverträge geeinigt, man plant langfristig miteinander. Es fallen zwar immer noch Transaktionskosten an, aber sie sind deutlich niedriger als auf Märkten.
Ronald Coase stellte nun die These auf, dass Unternehmen gegründet werden, um diesen Vorteil zu nutzen: Suchkosten, Vertragskosten, Koordinierungskosten, Kontrollkosten zu senken. Alles Kosten, die auf Märkten anfallen. Pointiert formuliert: Der Kern der Unternehmensgründung ist die Markt-Ausschaltung.
Marktausschaltung ist eine Denkfigur, die meiner Erfahrung nach nicht einmal im Topmanagement geläufig ist. Es lohnt sich daher, diesen Gedanken noch einmal zu wiederholen: »Grund« der Unternehmens-Gründung sind niedrige Transaktionskosten; es geht darum, Marktmechanismen auszuschließen. Alles, was im Unternehmen die Transaktionskosten senkt, ist produktiv; alles, was sie steigen lässt, kontraproduktiv.
Bis hier klingt das für Ihre Ohren möglicherweise unproblematisch. Tatsächlich aber hat die Berücksichtigung der Transaktionskosten für die Führung sehr weitreichende Folgen. Nimmt man sie ernst, verändert sie die Bewertung vieler Management-Praktiken dramatisch.
Interne Märkte
Eine Kernaufgabe von Führung ist es, bei allen Entscheidungen die Transaktionskosten im Auge zu haben. Das liegt auf der Hand bei Entscheidungen, denen man das Transaktionskostenproblem gleichsam »ansieht«: etwa bei Make-or-Buy-Entscheidungen, bei Joint Ventures, bei Fragen des Outsourcens oder Insourcens. Hingegen ist es nicht so auffällig bei lange erprobten und gleichsam »geheiligten« Institutionen. Führungsinstrumente wie die Leistungsbeurteilung oder die Mitarbeiterbefragung sind jedoch gleichzusetzen mit der Eröffnung eines internen Marktes. Eines Beurteilungs-Marktes. Und jedes Meeting, jedes Monitoring-System, jedes Reporting-Tool, der Prozess der Zielvereinbarung, die Budgetplanungen – alles das erzeugt Transaktionskosten, die einzusparen das Unternehmen einst gegründet wurde.
Ich möchte Sie deshalb daran erinnern, dass alle unternehmens intern eröffneten Märkte die erhöhten Transaktionskosten rechtfertigen müssen. Für das Inkaufnehmen mancher Transaktionskosten gibt es sicher gute Gründe. Dort akzeptieren Sie dann einen Kostennachteil um eines wertvolleren Vorteils willen. In anderen Fällen mag man zweifeln. Aus konkretem, jüngst erlebtem Anlass: Ist es wirklich notwendig, fünfzig Key Performance Indicators in jedem Winkel der Erde auf Knopfdruck zur Verfügung zu haben? Viele Kennzahlen im Unternehmen haben mit einer Wertorientierung nichts zu tun.
Sie sind lediglich so beliebt, weil sie sich gut kommunizieren
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