Radikal führen
welches wiederum nur Systemumgehungsintelligenz erzeugt. Hoher Rechtfertigungsdruck verschleißt Vertrauen. Dann fehlt es an der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Je höher der Rechtfertigungsdruck, desto mehr herrscht die Devise »Cover your ass«. Dann wuchern die CCs in den E-Mails – alles »Hineinzieh-CCs« nach der Methode: »Du hast es auch gewusst!« Lauter misstrauensinduzierte Transaktionskosten.
Noch einmal, weil ich diese Klage fast täglich höre: Wenn gesagt wird, dass zu wenig Bereitschaft vorhanden sei, Verantwortung zu übernehmen, dann kann man natürlich individuelle Defizite dafür haftbar machen. Praktischer ist es, den institutionellen Rechtfertigungsdruck zu analysieren und gegebenenfalls zurückzufahren. Das heißt zum Beispiel: Keinen Fehler-Trüffelhund zum Chef machen! Denn unter Rechtfertigungsbedingen gehen Menschen immer den sicheren Weg, niemals den, der scheitern könnte. Also niemals den kreativen.
Warum aber wird dann nicht mehr und öfter vertraut? Weil die Kosten, an der falschen Stelle zu vertrauen, für den einzelnen höher sein können als die Kosten, überhaupt nicht zu vertrauen. Vertrauen kann zu großen Gewinnen führen, die allerdings nicht oder nur schwer direkt auf Vertrauen zurückgeführt werden können. Es kann aber auch zu großen Verlusten führen, die sehr wohl auf Kontrollverzicht zurückzuführen sind. Hingegen lässt sich der Verlust durch Misstrauen nicht messen. Woran orientiert sich der Manager? Im Regelfall am Risiko, nicht am möglichen Gewinn.
Nimmt man diese Argumente zusammen, dann verwandelt sich die alte Redensart, dass »Vertrauen gut, Kontrolle aber besser« sei, in das Ziel, Kontrolle weitgehend durch Vertrauen zu ersetzen. Zumindest dort, wo sie nicht überlebensrelevant ist und dennoch hohe Transaktionskosten verursacht. Wer die Herzen der Menschen erreichen will, sollte sich ohnehin aufdas Vorschießen von Vertrauen verstehen. Alles Vertrauen beginnt mit Großzügigkeit. Und es ist sehr schwer, sich dem Charme großzügig unterstellten Vertrauens zu entziehen.
Individuum
Man könnte meinen, die Organisation »an sich« produziere schon hohe Transaktionskosten. Es ist ja auch eine paradoxe Situation, dass der Akt des Organisierens komplexe Vorgänge vereinfachen, mithin Transaktionskosten senken will, gleichzeitig aber Transaktionskosten anhäuft durch Schnittstellen, Meetings und Systeme. Hier sind Führungskräfte gefragt, die dieses Dilemma sehen und täglich das Wuchern der Transaktionskosten zähmen.
Welche individuellen Anlagen und Verhaltensweisen vermeiden nun hohe Transaktionskosten?
Das Unsichtbare sehen
Zu nennen ist zunächst Ihre Bereitschaft und Fähigkeit, sich auf eine relativ komplexe Denkfigur wie die Transaktionskosten überhaupt einzulassen. Wie bereits mehrfach erwähnt, kann man diese Kosten ja nicht »sehen« und auch – weil nicht messbar – kaum sichtbar machen. Es gibt dafür eben keine Kostenstelle. Sie müssen also mit offenen Augen durch Ihr Unternehmen gehen und die Abläufe durch die Transaktionskosten-Brille prüfen. Sie brauchen ein Gespür für das Verborgene, das nicht unmittelbar Sichtbare, die Fähigkeit, das Unternehmen als Ort einer zu entdeckenden Wahrheit anzuschauen. Um das Wichtige zu sehen, auch wenn es nicht messbar ist.
Sofort daran schließt sich die Bereitschaft an, für dieses Wichtige auch aktiv einzutreten. Und dafür zu kämpfen. Kollegen und Mitarbeiter auf Transaktionskosten aufmerksam zu machen. Das ist nicht ohne Ungemach möglich. Denn so, wie die Dinge in einer veränderungswütigen Zeit liegen, ist das Beachten der Transaktionskosten eine Schwester des Beständigen. Es folgt nicht den hektischen Bewegungen der Management-Moden. Für diese Nachdenklichkeit ist es schwieriger geworden, sich gegenüber dem Zeitgeist Geltung zu verschaffen, der vornehmlich auf das Neue setzt, auch wenn auf das Klügere nur das Blödere folgt. Heute glaubt man ja, dass nur derjenige gute Arbeit leistet, der sich vieler Managementinstrumente bedient. Es geht mithin darum, das Bewährte zu schützen. Nicht aus Vergangenheitsverklärung, sondern aus der nüchternen Perspektive der Transaktionskosten.
Die Frage nach Ansätzen zur Vermeidung von Transaktionskosten ist durchaus abhängig von der Unternehmensgröße. In KMUs mag es angezeigt sein, erst einmal ein paar Strukturen einzuführen. Schon allein, um bei Führungswechseln eine gewisse Stabilität zu sichern. Aber wichtiger erscheint
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