Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
Vom Netzwerk:
mir, dass viele KMUs den Vorteil organisatorischer Rückständigkeit haben. Sie haben Raum für Menschen; die Lücken für das Besondere sind größer. Sie haben nicht jede Management-Mode mitgemacht, ja häufig halten sich dort noch renitente Reste des gesunden Menschenverstandes. Der weiß instinktiv, dass neue Tools oft viel Lärm um nichts sind.
    Das ist also gefordert: die Bereitschaft, Nein zu sagen. Sie ist nicht sehr verbreitet. Denn der Begründungsaufwand ist groß. Man hat sich aus der Harmonie mit seiner Umwelt verabschiedet – man ist nicht mehr »everybody’s darling«. Mit einem Nein geht man ein höheres Risiko ein – wenn man falsch lag, haben es alle anderen besser gewusst. Und ein Nein-Sager weiß präzise, wogegen er ist, aber selten genau, wofür er ist. Das diskreditiert ihn in den Augen der Herde. Er hat sich für das Offene entschieden, wehrt sich gegen die Schließung. Oder, wie es Peter Lau ausdrückte: »Ja ist eine Straße. Nein ist ein Horizont.« Also nur etwas für souveräne Manager.
    Sie müssen also schon ein gewisses Maß an innerer Unabhängigkeit haben, eine autonome Persönlichkeit, die auch Gegenwind aushält und sich einsetzt für Ergebnistragendes, obwohl es nicht sichtbar ist. Weil es zwar nicht zu rechnen ist, aber sich rechnet. Man kann in diesem Zusammenhang sehen, wie desaströs ein Führungsinstrument wie das 360-Grad-Feedback wirkt. Zuerst baut es einen internen Markt auf, bindet Energie, für die Sie der Kunde nicht bezahlt. Und dann nötigt uns das Instrument, möglichst niemandem im Unternehmen auf die Füße zu treten. Es ist mir schleierhaft, wie man diesen Zangengriff der Fehlsteuerung mit Wirklichkeitssinn vertreten kann.
    Mögen sich Transaktionskosten »verstecken« und nicht oder nur mit hohem Aufwand messen lassen, so kann man doch wenigstens auf sie hinweisen, sie einschätzen und bewerten. Denn das Management von Aufmerksamkeit gehört zu den wichtigsten Steuerungsinstrumenten im Unternehmen.
»Auf-den-anderen-zu«
    Verbleibt man beim Senken der Transaktionskosten nicht nur auf der rein »technischen« Ebene des Institutionendesigns, sondern forscht weiter nach individuellen Beiträgen, so kommt man um eine Einstellung nicht herum, die ich beschreiben möchte als »Auf-den-anderen-zu«. Ich meine damit die Bereitschaft und Fähigkeit, das egozentrische Kreisen um sich selbst zu verlassen und vom anderen her zu denken. Wenn Sie in der Lage sind, sich auf die Denk- und Vorstellungswelt des anderen einzulassen, adressatenorientiert zu denken, sprechen und zu handeln, dann genügen Sie dieser Forderung.
    Im therapeutischen Kontext ist immer wieder die Fragehaltung spürbar: »Was kann ich kriegen?« Zwar stellt niemand diese Frage explizit. Aber deutlich spürbar ist ein »nehmendes« Verhältnis zu Welt. Möglichst viel, möglichst gut, möglichst schnell. Eine Auf-den-anderen-zu-Einstellung würde anders fragen: »Was kann ich bieten?« Sie denkt sich in das Gegenüber ein, versucht durch seine Brille zu sehen, berücksichtigt seine Interessen. So artikuliert sich ein »gebendes« Verhältnis zur Welt, das keineswegs mit Selbstlosigkeit verwechselt werden darf, sondern zunächst an den anderen denkt und den eigenen Vorteil als Folge des Gebens begreift.
    Im Unternehmen ist der Kunde, der immer nur »stört«, geradezu sprichwörtlich geworden für Unternehmens-Autismus. Ach, was hätten wir es gut, wenn nicht immer diese blöden Kunden unsere Selbstumkreisung behinderten! Weshalb ja viele Unternehmen am liebsten auch ohne den »Umweg« über den Kunden ihren Kapitalmarktwert erhöhen wollen, gleichsam Geld aus Geld schaffen, und sich als hermetisch geschlossene Wertsteigerungsgeneratoren verstehen. Dass wir mal unsere Existenz dem Willen verdankten, mit unseren Produkten und Dienstleistungen die Lebensqualität unserer Kunden zu verbessern, mein Gott, ist das lange her! Prototyp dieses Menschenschlages ist, ganz ohne böse Absicht, der technikverliebte Ingenieur, der fasziniert ist davon, was seine Maschine alles kann – nicht was der Kunde braucht. Und wenn die Kunden dann sagen: »Ach übrigens, wenn ihr fertig seid mit eurer Nabelschau – wir haben hier Aufträge!«, dann schalten wir eine »Service-Abteilung« dazwischen, die verhindert, dass wir von »denen da draußen« verwirrt werden.
    Auf-den-anderen-zu: Das meint eine »dienende« Haltung, die um die wirtschaftliche Abhängigkeit von anderen weiß, die sich an kundendefinierten

Weitere Kostenlose Bücher