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Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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Qualitätsmaßstäben orientiert, die bereit ist, das Handeln, das Produkt, die Prozesse, ja die eigene Ausbildung zu ändern, wenn der Markt es erfordert. Die sich nicht immer nur selbst als Kunde begreift, sondern zunächst als Lieferant (um an dem Dienen zu verdienen), die einen Unterschied im Leben anderer machen will. Die die Produktqualität des Unternehmens in Lebensqualität der Kunden verwandelt.
    Sie zeigt sich auch in der Kommunikation innerhalb des Unternehmens. Nennen wir das Beispiel des Vorstandsvorsitzenden, der auf einer Führungskräfte-Veranstaltung zum Rednerpult geht. Er beginnt zu sprechen. »Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen ...« Was passiert in diesem Moment in den Köpfen der Zuhörer? Wovon ist es abhängig, dass seine Worte nicht nur gesagt, sondern auch gehört, ja verstanden, vielleicht sogar wirksam werden?
    In solchen Momenten stellen sich die Anwesenden unbewusst zwei Fragen: Erstens: Ist er glaubwürdig? Zweitens: Meint er mich? Wie gesagt: unbewusst! Niemand spricht diese Fragen aus, und doch bleiben sie während des ganzen Vortrags vital. Sie entscheiden darüber, ob die Zuhörer den Saal anders verlassen, als sie ihn betraten. Schieben wir das Problem der Glaubwürdigkeit zur Seite (es ist für unseren Zusammenhang zu vernachlässigen) und betrachten wir die zweite Frage: »Meint er mich?« Da ist zunächst das Formale: Spricht er über ein Thema, oder spricht er zu mir? Spricht der Redner zu einem Kollektiv-Singular, zum »Personal«, zur »Belegschaft«, oder meint er mich als Individuum? Spüre ich, dass er mich erreichen will, dass ihm etwas daran liegt, mich persönlich zu bewegen? Oder ist es erkennbar, dass er lediglich selbst eine gute Figur machen will? Ich möchte spüren, dass der Sprecher mein Interesse verfolgt, nicht nur sein eigenes oder das anonymer Anteilseigner. Redet er über »wir«, meint aber »sich«? Ist er offen für meinen Einwand, für meine Perspektive? Oder möchte er seine Überzeugung am liebsten zum allgemeinen Handlungsstandard aufblähen?
    Nur wenn diese Fragen durchgängig mit »Ja« beantwortet werden, wird der Anwesende zum Zuhörer. Sonst hält er nur durch und sitzt die Zeit bis zu nächsten Pause ab. Und baut zwischenzeitlich beträchtliche Aggressionen auf. Sie können solche Reaktionen Ihrer Zuhörer vermeiden. Es ist ganz einfach: Die Menschen müssen Ihnen nur wichtiger sein als das Redemanuskript.
    Wer aber dauernd um sich selbst kreist, wer das Unternehmen als in sich geschlossenes System sieht, wer sich an der Leitunterscheidung Oben/Unten orientiert, der weist mit seinem Handeln nicht nach außen, sondern auf sich selbst zurück. Mit seinem organisatorischen Narzissmus produziert er Transaktionskosten, die von keinem externen Marktteilnehmer freiwillig beglichen werden. Deshalb greift er zum Mittel des Zwangs. Als Manager zwingt er die Mitarbeiter; als Politiker zwingt er die Bürger. Als Manager hat er es (vor allem finanziell) »nicht nötig«, sich vom Mitarbeiter abhängig zu machen; als Politiker suspendiert er durch Kartellbildung der politischen Eliten den Parteienwettbewerb. Man dreht sich halt gerne um sich selbst. Wer anderen nicht dienen kann, versucht sie zu beherrschen.
    Ich möchte diesen Punkt zuspitzen, um ihn kritikfähig zu machen. Eine innere Einstellung, die ich mit »Auf-den-anderen-zu« beschrieben habe, hat zur Konsequenz, das berufliche Handeln nicht als konstitutiv für die eigene Identität betrachten zu dürfen. Es ist ein Unterschied, ob ich mich vor dem Hintergrund meiner Ausbildung zum Beispiel als Lehrer begreife (und dann erwarte, dass der Markt mich in dieser Identität anerkennt) oder ob ich mich mit meiner Ausbildung und meiner Dienstleistung danach richte, was gebraucht wird (und dann vielleicht als Journalist arbeite). Unsere Produkte und Dienstleistungen – wir haben sie, aber wir sind sie nicht. Die anderen sind nicht dafür da, uns in unserer beruflichen Selbstdefinition zu bestätigen. Wir können viele Dinge tun und anbieten – aber wir werden nur überleben, wenn wir dafür Tauschpartner finden. Wenn wir vom Markt her denken, wenn es dafür eine Nachfrage gibt. »Auf-den-anderen-zu« handeln wir, wenn wir souverän über unser Angebot verfügen, nicht, wenn wir echsenhaft an ihm kleben. Es darf nicht so sehr Teil unserer Selbstdefinition sein, dass eine Änderung im Marktverhalten und in der Präferenz der Kunden mit dem Verlust unserer Identität gleichzusetzen wäre. Wer

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