Radikal führen
»Stärken analysieren und Schwächen beheben«. Aber all diese Instrumente bilden innerbetriebliche »Märkte«, die die Energien der Beteiligten binden. Unter der Hand werden die kooperativen Beziehungen zwischen den Menschen so in marktförmige Beziehungen umgestaltet. Darf man dann noch Söldnermentalität von Mitarbeitern beklagen?
Nehmen wir die »Balanced-Scorecard«. Aus einer respektablen Idee ist in vielen Unternehmen eine »Scorecard« geworden, an der nichts mehr »balanced« ist. Zudem hat man viel Zeit darauf verwendet, das System immer kleinteiliger zu perfektionieren. Immer mehr Kennzahlen, immer mehr Stellschrauben. Glaubt man wirklich, damit mehr zu leisten als die Aufrechterhaltung der Steuerungsillusion?
Die dadurch entstehenden Kosten wirken aber eher abstrakt, mögen breit verteilt sein und lassen sich selten direkt nachweisen. Obwohl sie sehr real sein können – wie zum Beispiel im Falle eines deutschen Polizisten, der im Durchschnitt weniger als ein Zehntel seiner Arbeitszeit Kontakt mit dem Bürger hat, 90 Prozent seiner Zeit aber für »innerbetriebliche« Zwecke verbraucht. In vergleichbarer Weise investieren manche CEOs den Großteil ihrer Arbeitszeit in die politische »Bearbeitung« des Aufsichtsrates. Und wenn ich mir anschaue, dass gesamte Vorstandsgremien oft eine Woche lang paralysiert sind, um einen Conference Call mit der Holding vorzubereiten, dann verhöhnt das die Marktausschaltung – von betriebswirtschaftlicher Rationalität ganz zu schweigen.
Was tun?
Wie können wir das Unternehmen in einer Horizontalspannung halten? Wie können wir einen Zug nach außen erzeugen, zum Markt, zum Kunden?
Zunächst, indem wir alles verhindern, was Vertikalspannung erzeugt. Indem wir also alles unterlassen, was die Leitdifferenz Oben/Unten beliefert, was interne Märkte eröffnet, was die bürokratischen Krakenarme verlängert. Bei jeder Intervention in die Organisation sollten Sie fragen: »Welche Leitdifferenz wird da befeuert?« Wenn die Antwort lautet »Oben/Unten«, dann rennen Sie zehnmal um den Block, denken Sie nach und prüfen Sie, ob Sie das wirklich brauchen. Stattdessen sollte es für jedermann leicht sein, die eigene Arbeit als sinnvoll entlang der Unterscheidung Innen/Außen zu erleben
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Richten Sie rechtfertigungsbefreite Zonen ein. Wehren Sie sich aktiv und täglich gegen die Springfluten des Reportens und Monitorens. Lassen Sie sich nicht ins Misstrauen jagen. Eröffnen Sie zumindest keine weiteren internen Märkte. Führen Sie keine zusätzlichen Personalsysteme ein, sondern schaffen Sie welche ab, wenn sie nur noch bürokratische Onanie sind. Überlegen Sie, ob die soundsovielte Mitarbeiterbefragung auch noch sein muss. Das spart Transaktionskosten, die unerkannt und weit weg vom Kunden die Energien der Mitarbeiter fesseln.
E-Mails: Bei dem französischen IT-Dienstleister ATOS hat man herausgefunden, dass Manager bis zu 20 Stunden wöchentlich mit E-Mails verbringen; bis 2014 will man eine »zero e-mail company« werden. Wer das für hinterwäldlerisch hält, wird dennoch zugeben müssen: In den meisten Unternehmen kommunizieren viel zu viele Leute mit viel zu vielen Leuten (nicht ohne gleichzeitig darüber zu klagen, dass sie nicht richtig informiert seien). Wenn Sie das nicht hierarchisch unterbinden wollen: Reduzieren Sie wenigstens die Zahl Ihrer CCs und vermeiden Sie die Funktion »Allen antworten« – allein schon dadurch explodiert die Produktivität Ihres Unternehmens.
Man muss es immer wieder im Unternehmen zur Geltung bringen, immer wieder sagen, immer wieder daran erinnern: Der Existenzgrund des Unternehmens ist der Kunde. Er ist der Arbeitgeber aller Arbeitgeber. Also: Vergessen Sie nicht den Zweck der Zusammenarbeit! Denken Sie vom Kunden her – einerlei, ob marktgetrieben oder markttreibend. Früher haben die großen Handelsfirmen Marken gemacht – heute machen Kunden die Marke. Sie mischen sich ein, sie sagen: »Ich will es anders haben.« Darauf müssen Sie reagieren, nicht auf das, was die Hierarchie will. Und geben Sie Ihr Geld möglichst nah am Kunden aus.
Immense Transaktionskosten werden erzeugt durch inkonsequente Personalauswahl. Insbesondere bei Missgriffen auf der Führungsebene revidiert man selten und meistens viel zu spät die Auswahlentscheidung. Vielmehr versucht man über Personalinstrumente ihre schädlichen Konsequenzen abzumildern. Mit geringem Wirkungsgrad. Insofern handelt es sich dabei um eine
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