Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
Vom Netzwerk:
setzt man Maximum und Optimum einfach gleich. Der Raum zwischen den Extremen bleibt leer. Zwischen Alles-oder-nichts gibt es offenbar gar nichts, und wennetwas dahingehört, dann lohnt es sich nicht. Es gilt als das Laue, das Unentschiedene, das Weder-Fisch-noch-Fleisch. Aber was ist mit Gelassenheit? Engagierter Gelassenheit meinetwegen? Etwas, was brennt, aber weder selber aus brennt noch anderes ver brennt?
    Montesquieu stellte fest: »Es ist ein zweifelsfreier Grundsatz, dass die allgemeinen Ansichten einer Zeit immer überspitzt sind. Denn sie haben sich nur deswegen allgemein verbreitet, weil sie die Köpfe in Erstaunen versetzten.« Also muss das, was sich als Wert allgemeiner Zustimmung erfreut, einmal etwas Provokatives, Besonderes gewesen sein, das eine Sehnsucht der Zeit auf den Punkt bringt. Darüber wurde dann übersehen, dass das ganze Bild immer auch das Gegenteil beinhaltet.
    Aber wenn man ins Extreme geht, wird in der Regel alles falsch. Sie brauchen nur die Position eines Gesprächspartners mit Worten wie »immer« oder »nie« ins Extreme zu schieben, dann steht er da, als nähere sich sein Intelligenzquotient seiner Körpertemperatur. Oder nehmen wir die Spannung zwischen Beraten und Verkaufen, in der jeder Außendienst-Mitarbeiter lebt: Ein extremes Verkaufen wird zur Drückerei, doch ein extremes Beraten macht brotlos. Es ist ein Gleichgewicht zu finden.
    Fundamental für die Aufgaben von Führungskräften ist der Widerspruch zwischen den Anforderungen, »Freiräume zu eröffnen« und »Freiräume zu schließen«. Man kann auch sagen: zwischen den Aufforderungen »Handle unternehmerisch!« und »Halte dich an die Regeln!« Der erste Pol lässt Kontingenz zu, der zweite erzeugt Sicherheit. Der erste Pol ist ein Nutzungskonzept, der zweite ist ein Ordnungskonzept. Der erste erzeugt im Extremfall Haltlosigkeit und Beliebigkeit, der andere Verantwortungslosigkeit und Lähmung. Es ist Ihre Aufgabe als Führungskraft, solche widerstreitenden Kräfte, Interessen, Bedingungen, Positionen und Ideale miteinander zu versöhnen. Das ist die Leidenschaft des Ausgleichs.
    Lange Zeit hieß »managen« ja nichts anderes als »sich durchwursteln«, etwas irgendwie »geregelt« kriegen; erst in neuester Zeit wurde daraus der Ehrentitel des planenden Lenkers. Aber war das Alte so falsch? Wer Unordnung in (kurzzeitige) Ordnung überführt, sich um das Unerwartete kümmert, Ungewissheit auffängt, mit Unklarheiten jongliert, wer sich also als Jongleur erlebt, der kann mit der Management-Maxime des »zielorientierten Durchwurstelns« (H. Edward Wrapp) etwas anfangen. Das klingt zwar nicht grandios, ist aber dafür realistisch. Und erfordert Gelassenheit.
    Die Kunst des Managements liegt in der Balance. Deshalb müssen Sie als Führungskraft oft ein »Gegen-Handelnder« sein. Man muss gegen die vorherrschende Grundtendenz immer wieder auf Kompensation bestehen. Es geht um das Maß. Maß als mittlere Tugend und vermittelnde Tugend, die höchste Präsenz, höchste Aufmerksamkeit verlangt. Die Extreme werden nicht gelöscht, nicht ignoriert, sondern vermittelt im Sinne des Möglichen. Und immer wieder neu vermittelt. Ist das ein fader Kompromiss? Keineswegs. Der Ausgleich der Leidenschaften führt zur Leidenschaft des Ausgleichs. Ausgleich im Dienste des Unternehmens. »Diskrete Verwegenheit« oder »Mutige Besonnenheit« könnte man sie nennen, so wie der Fußball die »kontrollierte Offensive« kennt. Mittlere Tugenden sind einfach lebenspraktisch.
    Die Idee eines auf Balance und Kompensation ausgerichteten Managements ist dabei nicht zwangsläufig konservativ. Sie kann auch mobilisierend wirken als Reaktion auf festgefahrene Situationen. Sie kann Menschen helfen, auf das Mögliche zu schauen, nicht auf das Unmögliche. Der Lebenslauf des Menschen bewegt sich in der Regel vom Potenzial zur Eindeutigkeit, von der Möglichkeit zur Tatsächlichkeit. Es ist wichtig, gegen diese Tendenz den Schwebezustand aufrechtzuerhalten. Das Dazwischen zu genießen, das Hin und Her. Was das lebenszeitliche Nacheinander von Lernen, Arbeiten und Genießen angeht, so ist eine extreme Spreizung dieser Schwerpunktesicher abzulehnen. Es ist dagegen erstrebenswert, dass zwischen ihnen eine gewisse Gleichzeitigkeit, wenn man so will: »Balance«, herrscht. Warum nicht auch im Alter arbeiten? In der Psychotherapie ist man der Meinung, dass jede Einseitigkeit entwicklungshemmend ist und Leiden verursacht. Auch Reife ist auf diese Weise nicht zu

Weitere Kostenlose Bücher