Radikal führen
Mitarbeiter bringen eine unverbrauchte Perspektive mit, wundern sich noch über das, was für Sie längst selbstverständlich ist; ihnen sollte man gut zuhören. Branchenfremde Mitarbeiter, gemeinhin »Quereinsteiger« genannt, können ebenso für frischen Wind sorgen. Frauen sind in männerdominierten Unternehmenskulturen personifizierte »Störungsaufträge«. Auch das, was man im Mannschaftssport »Rotieren« nennt, ist ein Störungsauftrag. Wenn zwei Manager mal die Aufgaben tauschen. Das schafft neue Konstellationen und unter Umständen überraschende Erkenntnisse. Und auch der Teamgeist wird wieder neu belebt: Jeder wird gebraucht, wir gewinnen nur zusammen. Und wir verlieren, wenn der Einzelne sein Ego pflegt.
Individuum
Unternehmen müssen sich, wenn sie zukunftsfähig sein wollen, um Störungen herum organisieren, weil nur die permanente Austragung von Krisen fit hält. Wir haben gesehen, dass es notwendig ist, den institutionellen Rahmen infrage zu stellen und gegebenenfalls auch radikale, an die Wurzel gehende Organisationsveränderungen anzuregen. Wer aber stößt so etwas an? Was sind das für Führungskräfte, die die Kernaufgabe »Zukunftsfähigkeit sichern« ernst nehmen?
Ich beschreibe im Folgenden, welche Eigenschaften diese Führungskräfte ausmachen; Sie sollten bei der Personalauswahl besonders auf diese Eigenschaften achten.
Möglichkeitsbewusstsein und andere Notwendigkeiten
»Nur der, der sich die Gegenwart auch als eine andere denken kann als die existierende, verfügt über Zukunft.« Adornos Worte können als Basis einer Unternehmenskultur dienen, die über das Optimieren des Bewährten hinausweist. Denn erst das so geschärfte Kontingenzbewusstsein ermöglicht es, Krisen als Chancen zu sehen und andere, vielleicht wünschenswertere Zustände als die bestehenden zu denken. Es ist der mentale Boden, aus dem die wirtschaftliche Dynamik sprießt. Es macht zukunftsfähig.
Sucht man nach Persönlichkeiten, die einen optimistischen Umgang mit der Zukunft wahrscheinlich machen, dann sind es zweifellos diese: Sie können reflektieren. Sie denken: »Es könnte auch anders sein«. Sie beugen sich nicht dem Diktat des Status quo. Und sie wissen auch: Man kann sich kaum mit linearem Denken auf eine nicht-lineare Zukunft vorbereiten – es war einmal anders und es wird einmal anders sein (ein wenig historische Bildung schadet da nicht). Solche Persönlichkeiten sind mit einem Sinn für Mögliches ausgestattet, mit Möglichkeitssinn. Sie können ihre Fantasie aktivieren, halten grundsätzlich Außerordentliches und extreme Entwicklungen für denkbar. Sie haben eine so starke Bindung an ihr Unternehmen, dass sie es fortwährend hinterfragen und auf Verbesserung abklopfen. Sie sind notorisch unzufrieden – ohne dabei übellaunig zu sein. Sie denken, was andere nicht denken; suchen, wo andere nicht suchen; machen, was andere nicht machen. Dabei sind sie keine Hasardeure, es geht ihnen nicht um prinzipielles Dagegensein. Sie haben lediglich eine Neigung zum Ausprobieren, zum ergebnisoffenen Versuch. Wie in den Naturwissenschaften zielen sie mit Experimenten auf Erkenntnisfortschritt. »Why not?« ist ihre Haltung; nicht »Yes, but...« Und diese Haltung ist nicht auftrumpfend, sondern eher leise. Ihre Triebfeder ist Neugier. Im besten Sinne sind sie »gierig auf Neues«. Sie langweilen sich schnell. Sie beschäftigen sich gerne mit dem »Noch nicht«. Die Jetztwelt ist für sie nur eine Durchgangsstation.
Ebenso wichtig ist der Umgang mit Krisen: Wie geht jemand mit Krisen um? Wie verarbeitet er Schocks? Wie reagiert er auf das Unerwartete? Es geht um eine positive Einstellung zu Veränderungen, um eine innere Haltung, die dem Unerwarteten mit einem »Gewohnt unerwartet« begegnet. Turbulente Phasen dürfen nicht als bedrückend, sondern sollten positiv als Herausforderungen wahrgenommen werden. Um dann klug zu reagieren. Klug meint empfindlich, aber nicht hysterisch; klug meint zügig, aber nicht überhastet; klug meint angemessen, aber nicht überzogen. Hektik ist selten ein guter Ratgeber. Ein Manager, der auf Störungen nicht klug reagiert, wird sich das so lange leisten können, bis ihn die eine große Krise ereilt, die ihn in den Abgrund reißt.
Auch Konfliktfähigkeit spielt sicher eine Rolle, wenn man an den konkreten Störungsauftrag der Führung denkt. Gefordert ist: Mut zur Kontroverse. Raus aus der Kuschelecke! Konfliktfähigkeit geht dabei an die Wurzel. Sie fragt: »Von welchen
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