Radikal führen
biologische Innovation auf Zufall, Verschwendung, Selektion und Vermehrung beruht, oder mit anderen Worten: auf Originalität, Risikobereitschaft und Erfolgskontrolle, auf dem Gegenteil also von Planung, Sparsamkeit, Erhaltungssubvention, Besitzstandswahrung und Produktionseinschränkung.«
Also: Orientiert man sich bei der Auswahl der Mitarbeiter an Vielfalt und Unterschied – oder steigert man die homosoziale Reproduktion? Organisationen haben die Tendenz, immer wieder Mitarbeiter ähnlichen Typs zu rekrutieren. Genau jene, die sich überhanglos der Kultur anschmiegen. Das heißt dann oft »Aufstieg aus eigenen Reihen«. Es ist zweifellos hilfreich, in »Eigengewächse« zu investieren – schon aus Kostengründen. Aber sie sind zu ergänzen mit Zukäufen von den heimischen und internationalen Personalmärkten – sonst entstehen inzestuöse Strukturen. »Fremdenfreundlichkeit« ist eine Tugend; siemeint hier: sich überraschen lassen, sich anregen lassen, voneinander lernen. Wer sich stören lässt, kann nur gewinnen. Und vermeiden Sie einen weiteren Fehler: Nämlich Mitarbeiter, die sich als veränderungsaffin herausgestellt haben, offiziell zu »Change-Managern« zu befördern. Damit zieht man ihnen genau den Stachel, der sie einst antrieb. Man macht aus dem Wollen ein Sollen. Und das hat noch nie wirklich funktioniert.
Seien Sie skeptisch bei Bewerbern, die glauben, Erfolgsrezepte zu kennen – sie sind tendenziell rückwärtsgewandt. Auf Worte wie »immer« und »nie« sollten Sie ebenso zurückhaltend reagieren. Prüfen Sie, ob jemand in einem Strategiespiel einen Plan B entwickelt, weil er damit rechnet, dass sich die Dinge anders entwickeln als angenommen. Einstellungs-Interviews sollten Sie um solche Aussagen herum gestalten:
»Ich habe schon öfter eine Strategie vollständig überdenken und ändern müssen.«
»Ich bewege mich häufig in Situationen, die bestimmt sind durch Unsicherheit und unscharfe Rahmenbedingungen.«
»Ich komme gut mit Aufgaben zurecht, deren Herausforderungen und mögliche Ergebnisse zunächst völlig unklar sind.«
»Ich halte es mit Leo Getz in dem Film Lethal Weapon: Always have a back up plan. Ich rechne damit, dass sich die Dinge anders entwickeln können als angenommen.«
Das ist die Aufgabe: Menschen zu finden, die einen Unterschied in das Unternehmen bringen, aber kommunikativ kopplungsfähig sind – also ihr Verhalten auf die Bedürfnisse ihrer Kollegen und Mitarbeiter abstellen. Das Management sollte für häufige Interaktion sorgen, für viele Zusammentreffen mit unterschiedlichen Leuten. Sergio Marchionne setzt auf die »personifizierte« Störung, vorrangig junge Leute. Seine Begründung:»Die sind noch nicht korrumpiert von den traditionellen Betriebsabläufen.« Das mag man so sehen; andererseits haben wir gerade unter jungen Leuten viele Ja-Sager, während die Älteren gleichsam »weniger zu verlieren« haben. Aber dennoch, auch wenn es (mir) weh tut: Lebensalter spielt eine Rolle. Die Älteren punkten bei klassischen Kompetenzen wie Mitarbeiterorientierung, Strategie und Umsetzung. Aber bei etlichen Jahren in derselben Aufgabe sind sie keine Störung mehr. Und bei der souveränen Beherrschung rasch wechselnder Umstände sind jüngere Manager den älteren klar voraus. Sie kommen besser mit Aufgaben zurecht, deren Herausforderungen und Ergebnisse zu Beginn unklar sind.
Und noch etwas: Einen Störungsauftrag werden Spezialisten kaum erledigen; es werden vorrangig Generalisten in der Führung sein, die sich seiner annehmen. Ein resilientes Unternehmen wird im Top-Management daher eher Menschen mit Überblick einsetzen, die die Vielfalt der eigenen Person und der Welt kennen, die schnell die Perspektive wechseln können und ihrerseits die Spezialisten richtig einsetzen. Die oft geforderte »Branchenerfahrung« ist jedenfalls mit Blick auf Zukunftsfähigkeit nicht immer hilfreich.
Offensiver werden
Welches Verhältnis haben Manager zur Zukunft? Mit welcher Einstellung schauen sie nach vorn? Welches Gleichgewicht stellen sie her zwischen kurzfristigen und langfristigen Zielen? Idealtypisch lassen sich defensive Manager von offensiven unterscheiden.
Die Kernkompetenz des defensiven Managers ist die Abschöpfung und Pflege des Bestehenden, allenfalls dessen Optimierung. Er ist damit beschäftigt, sein Tagesgeschäft nach den immer gleichen Parametern abzuwickeln. Das ist nicht wenig. Aber es setzt doch sehr auf die Stetigkeit der wirtschaftlichen
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