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Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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Prämissen gehen wir aus?« »Welches Menschenbild pflegen wir?« »Welche Zukunft erwarten wir?« Innovation basiert auf Widerspruch. Und dieser Widerspruch muss eingeführt werden. Von Menschen, die sich ihren Eigensinn erhalten haben. (Und ich glaube, das sind vor allem humorvolle Menschen.) Die ewig Systemkompatiblen erklären die Titanic für unsinkbar – die Skeptiker sehen den Eisberg. Wir brauchen solche analytische Kritik in Permanenz, um lernfähig zu bleiben und Kurskorrekturen vornehmen zu können. Einen Entschluss sollten Sie frühestens dann fassen, wenn mindestens eine Gegenmeinung diskutiert wurde. Besser zwei.
    Ferner ist Disziplin von großer Bedeutung. Denn es ist grundsätzlich schwierig, über Zukunft zu sprechen. Die Vergangenheit ist vergangen, die Gegenwart flüchtig und die Zukunft unsicher. In der Hirnforschung meint man festgestellt zu haben, dass die Gehirnaktivitäten keinen qualitativen Unterschied zeigen, ob man an Vergangenes, Gegenwärtiges oder Zukünftiges denkt. Was den Unterschied zwischen unseren Zeitdimensionen verschwimmen ließe. Was ist dann aber Zukunftsfähigkeit, wenn man die Zukunft nicht vorwegnehmen kann? Mein Vorschlag ist: immer wieder JETZT das Unerwartete erwarten; nicht an ein zeitlineares »Morgen« glauben. Ohne Selbstdisziplin läuft da gar nichts. Wer Gold finden will, muss Sand waschen.
    Und die Forschung hat noch ein anderes Prinzip für Zukunftsfähigkeit ausgewiesen: Bescheidenheit. Der Kieler Professor Jürgen Hauschildt und sein Forschungsteam konntenbelegen, dass ein übergroßes Ego der Top-Manager die Krisen oft erst entstehen lässt. Manager, die sich überschätzen, die betrügen, spekulieren, extreme Risiken eingehen, alles für machbar halten. Wie Porsche beim Versuch der Übernahme von VW. Wie die Landesbanken bei windigen Finanzgeschäften.
    In den Unternehmen wird viel von »Change« gesprochen. Meine Erfahrung: Je offizieller von Change gesprochen wird, desto weniger ändert sich. Weil der so gemeinte Wandel immer nur geplantes Verändern meint und eigentlich nur ein verschärftes Mehr-vom-Selben bedeutet. Überschaut man die einschlägige Forschung, so braucht es für wirkliche Änderungen Menschen, die den Spagat schaffen zwischen tiefer Verwurzelung im Unternehmen und Distanz von außen. Jedes Unternehmen braucht deshalb Menschen, die die Dinge anders denken können als in ihrer existierenden Form. Deshalb braucht es nicht nur den einsamen, heroischen Unternehmenslenker, der das Unternehmen umkrempelt. Es braucht unabhängige Geister auf allen Hierarchieebenen, die für permanentes Neu- und Vorausdenken eintreten. Die dem immensen Anpassungsdruck widerstehen, der vom Status quo und von Effizienzdenken aufgebaut wird.
    Ihre zentrale Fähigkeit hat Marcel Proust definiert: »Die wahre Entdeckung besteht nicht darin, Neuland zu finden, sondern die Dinge mit neuen Augen zu sehen.« Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft zum Perspektivwechsel. Erinnern Sie sich an den »Club der toten Dichter«? Der Film, in dem der Lehrer seine Schüler auffordert, sich auf Bänke zu stellen, um die Dinge anders zu betrachten? Wer perspektivisch denkt, kann auch den Standpunkt des anderen besser verstehen. Er versucht nicht, Unterschiede möglichst rasch zu beseitigen, sondern erträgt Vielfalt und Widerspruch. Erfreut sich geradezu an ihnen, ermutigt sie. Ein Schuss Ironie hat dabei oft eine befreiende Wirkung. Sie hilft beim intelligenten Spiel mit den Möglichkeiten.
Zukunft rekrutieren
    Ich werde unter der Kernaufgabe »Mitarbeiter führen« noch umfassend auf den Aspekt der Rekrutierung neuer Mitarbeiter eingehen. An dieser Stelle ist jedoch bereits ein Hinweis nötig, worauf Sie besonders achten sollten, um die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens auch mittels der Personalauswahl zu sichern.
    Jedes Unternehmen muss sich heute fragen, ob es Führungskräfte will, die ihren Störungsauftrag ernst nehmen. Falls die Antwort »Ja« lautet, dann schließt sich die Frage an: »Warum sind sie bei uns so selten?« Sind sie schon in Assessment-Centern aussortiert worden? Oder wurden sie später durch hohen Anpassungsdruck in die Emigration getrieben?
    Bei der Personalauswahl unter dem Schwerpunkt »Zukunftsfähigkeit« kommen vor allem Gesetze zur Geltung, die man in der Biologie beobachten kann. Wenn man der Evolution lauscht, dann gelten die Worte des Biologen Hubert Markl: »Wir stoßen dabei auf Egoismus, Schlamperei und Sex. Und wir werden sehen, dass

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