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Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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Automobilbau könnte der Benzinmotor nicht erst übermorgen der Vergangenheit angehören. Wenn Sie also Ihr Unternehmen in die Zukunft führen wollen, dann müssen Sie es aus der Zukunft führen. Wie geht das?
    Das menschliche Gehirn ist programmiert, schnell auf Gefahren zu reagieren; aber sie müssen konkret und unmittelbar sein. Alles, was vage und in weiter Zukunft liegt, entzündet uns nicht. Das korrespondiert mit gut gestützten Forschungsergebnissen, wonach Führungskräfte, gefragt, welche ihrer Aufgaben sie tendenziell vernachlässigten, vor allem auf den Entwurf von Krisen- und Zukunftsszenarien verweisen. Sie müssen also zunächst dafür sorgen, dass die Aufmerksamkeitder Organisation sich nicht nur auf Aktuelles konzentriert. Sondern auf Zukünftiges. Sind die Leute darauf vorbereitet, dass es regnen kann? Dass schlechte Zeiten kommen können? Oder aber sich unversehens grandiose Chancen eröffnen? Etwas, was niemand »auf dem Schirm« hatte? Sie sollten dabei ihre langfristige Strategie nicht aus den Augen verlieren, schon gar nicht darauf verzichten. Aber sich mit hoher Selbstdisziplin, in regelmäßigen Abständen, mit Zeit, Geld und institutionellen Formen der Zukunft widmen. Dann haben Sie ein Lernelement eingebaut, das aus der operativen Alltagshektik den Blick weitet für das, was unweigerlich kommen wird: Veränderung.
    Vor allem Sie als Führungskraft müssen sich fit halten: fit für rasche Veränderungen. Das können Sie tun, indem Sie alternative Szenarien durchspielen. Weniger Schema F, mehr Plan B. »Corporate Foresight« ist eine wichtige Aufgabe im Rahmen Ihrer strategischen Planung. Dazu gehören Methoden jenseits der traditionellen Marktbeobachtung wie Trend- und Umfeldanalysen, die Expertenbefragung sowie »Preferred Futuring«, »Presencing« und die gute alte Szenariotechnik. Vor allem die letztgenannten Techniken beinhalten das Spielen mit alternativen Zukunftsbildern und helfen, den eventuell notwendigen schnellen Kurswechsel zu simulieren. Eine gewisse Berühmtheit erlangte das schon 1982 von Bill Gross bei der US-Fondsgesellschaft Pimco inaugurierte Treffen (»Secular Forum«), bei dem die Führungskräfte einmal im Jahr dreitägig über die Zukunft nachdenken – oft »irritiert« und damit unterstützt von branchenfremden Referenten.
    Häufig wird die Beschäftigung mit der Zukunft an Stäbe oder gar externe Berater delegiert, während sich das Management mit dem Abschöpfen der Gegenwartsmärkte beschäftigt. Meine Erfahrung sagt: Falsch! Diese Aufgabe ist nicht delegierbar. Das Topmanagement sollte sich regelmäßig zurückziehen an einen ruhigen Ort und (unter Moderation) mögliche Zukünfte diskutieren, in denen sich das Unternehmen zu bewähren hat. Es ist eine Chance, sich selbst und das Unternehmen in einen größeren Zusammenhang zu stellen.
    Vor allem aber sollten Sie in Zukunftskonferenzen alle Mitarbeiter sensibilisieren für die Offenheit dessen, was vor uns liegt. In Open-Space-Konferenzen können Sie Mitarbeiter zum Mitdenken anregen, gemeinsam von der Zukunft her denken, Alternativen einführen. Weg vom Vergangenheits-Druck und hin zum Zukunfts-Sog! Die Vergangenheit wird dabei insofern relativiert, als sich das Management bewusst gegen Praktiken entscheidet, die aller Wahrscheinlichkeit nach zukünftig nicht mehr produktiv sind. Solche Konferenzen helfen auch bei der Erfüllung der Kernaufgabe der Zusammenarbeit: Das Unternehmen diskutiert sich hier in seiner Gesamtheit – und nicht als Addition von Einzelaktivitäten.
    Wer in Szenarien denkt, auch in radikalen Szenarien, der wird konträre Meinungen provozieren. Dazu brauchen Sie eine offene Diskussionskultur. Resilient sind nämlich nicht zentralistisch geführte Firmen, in denen charismatische Führer einsame Entscheidungen fällen. Und auch nicht jene rechthaberischen Rudelbildungen mancher Vorstände, deren pathologisches Bekenntnis zur eigenen Vergangenheit jede Kontroverse verhindert. Sondern jene, in denen wahrscheinliche und unwahrscheinliche Szenarien diskutiert werden und Meinungsvielfalt zu einem Mehr an Ideen und einer präziseren Ausarbeitung von Positionen führt. Gut vorbereitet auf Krisen sind mithin Unternehmen, in denen nicht Gehorsam und Konformität gefordert werden, sondern Eigensinn und Widerspruchsgeist. Von hochangepassten Ja-Sagern hat man ohnehin immer genug.
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