Radikal führen
Komplexität eines Unternehmens auch mit Ordnung und geregelten Abläufen – solange sie genügend Raum lassen für Selbstorganisation, Unvorhergesehenes und Unvorhersehbares. So wie der Medizinkonzern Fresenius ruhig, unaufgeregt und außerordentlich profitabel wächst, sowohl aus organischer Umsatzsteigerung als auch aus erfolgreicher M & A-Tätigkeit, und dabei die einzelnen Einheiten sehr dezentral führt.
Planungen mittlerer Reichweite
Depression oder Mega-Boom, Inflation oder Deflation – alles scheint derzeit möglich in der Weltwirtschaft. Das aviatische »Fliegen auf Sicht« ist aber nicht erst seit der Finanzkrise populär geworden. Es ist ja bekannt, dass viele Start-ups nur deshalb überlebten, weil sie sich von ihren Businessplänen früh genug verabschiedet hatten. Gelernt wurde: Mit Planungen kann man zwar die Kontrollillusion aufrechterhalten, aber sie beeinträchtigt die adäquate Erkenntnis der Wirklichkeit. Wer versucht, den Zufall und die Störung so weit wie möglich auszuschließen, kann sich kaum einstellen auf das Wichtige, das gestern noch unwichtig schien.
Langfristige Planungen gehören daher weitgehend der Vergangenheit an. Sie sind in hohem Maße illusionär und fallen (im Doppelsinne) schwer, weil sie Entscheidungen mit Ewigkeitserwartungen befrachten. Planungen mittlerer Reichweite sind praktischer. Sie fallen leichter, weil ihre Vorläufigkeit mitkalkuliert ist. Sie bilden zwar die erwünschte Zukunft ab, aber sie beschränken sich auf das heute Wissbare und lassen ausreichend Toleranz für Abweichungen. Auf den Anspruch der Exaktheit und Unumstößlichkeit wird ausdrücklich verzichtet. Keine Detailplanung also, nur eine grobe Orientierung, die zwar ernst zu nehmen ist, aber nicht zu ernst. Betrachten Sie Planung als kontrollierten Irrtum. Und vergessen Sie nicht: Zukunftsfähigkeit ist nicht Planung, sondern das Umgehen mit ungeplanten Situation – wenn die Planung über den Haufen geworfen wird.
Redundanzen bilden
Organisationen müssen heute damit rechnen, dass überraschende Ereignisse eintreten, die bei aller Anstrengung nicht vorhersehbar waren und die die mühsam stabilisierten Routinen gleichsam über Nacht obsolet werden lassen. Die »crisis«, die auf die spätantike medizinische Literatur Galens zurückgeht (und als Entscheidungspunkt gilt, an dem die Krankheit entweder abklingt oder letal wird), die Krise sollte Sie möglichst in einer komfortablen Zone unternehmerischer Gesundheit treffen. Sie sollten strukturell vorgebeugt haben. Sie sollten, wie man im älteren Jargon sagte, etwas »zuzusetzen« haben.
Was Sie mithin brauchen, ist ein »Commitment to resilience«. Das ist die Fähigkeit zur Mobilisierung zusätzlicher Leistungsreserven, um unter hohem Zeitdruck besondere Anforderungen meistern zu können. Sie benötigen im Unternehmen einen gewissen Grad an Redundanz (nicht zu viel, wohlgemerkt!) – und somit eine Anpassungsreserve. Denken Sie an den menschlichen Körper – dort, wo er nur ein Organ hat (etwa das Herz), ist unser Überleben im Schadensfall hoch gefährdet; haben wir hingegen zwei Organe (etwa die Nieren), können wir den Ausfall eines Organs verkraften. Viele Unternehmen haben sich in den letzten Jahren dieser Reserve aus kurzsichtigen Gründen beraubt. Entsprechend verwundbar sind sie. Wenn ein Unternehmen unter dem allgemeinen Effizienzdruck seine Ressourcen so weit ausdünnt, dass gerade noch der Normalbetrieb aufrechterhalten werden kann, dann ist es für den Zufall nicht gut gerüstet. Abermals: Effizienz ist wichtig – aber nicht alles. Sie sollten Schlanksein nicht mit Magersucht verwechseln.
Störung
Dass Führung einen Störungsauftrag hat, der die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichern soll, wurde bereits thematisiert. Nun müssen Sie sich die Störung nicht immer als große Sonderaktion vorstellen. Es gibt viele kleine und wirkungsvolle Störungen. Berater zum Beispiel, wenn man sie wirklich »beratend« einsetzt (und nicht als nachträgliche Rechtfertigung zuvor getroffener Managemententscheidungen), stellen ein »Andersmachen« zur Verfügung. Also Informationen, die das Unternehmen herausfordern, den Status quo zu überdenken. Die es dazu bringen, entweder etwas zu ändern, oder, falls die eigenen Argumente stärker scheinen, sie umso selbstgewisser zu vertreten. Ein Reklamationswesen, kundenorientiert geführt und gut vernetzt mit dem Gesamtunternehmen, sorgt immer wieder für nachdenkenswerte Störungen. Neue
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