Radikal führen
tagsüber in ein anstrengendes Gegeneinander und Einzelkämpfertum. Abends spielen sie dann Tennis. »Zum Ausgleich!«, sagen sie. In Wirklichkeit: gegeneinander. Wieder als Einzelkämpfer. Einer ist Sieger, einer Verlierer. Ausgleich? Kontrast? Eher doch: Mehr vom selben. Hilfreicher ist dann doch ein durchaus schweißtreibendes, aber eher spielerisches Sporttreiben. Besser »miteinander« als »gegeneinander« spielen. Gemeinsam gewinnen. Freude, Freunde, Spaß und Spielerisches sollten im Vordergrund stehen, nicht verbissenes Kämpfen und Siegenwollen.
Auch Musik, deren Kraft sich im Menschen aber nicht ohne ein gewisses Verständnis und innere Vorbereitung entfaltet, kann zu diesem Sich-Lösen beitragen – wenn Sie sich wirklich auf sie einlassen, ihr lauschen, und sie nicht nebenbei als Geräuschkulisse konsumieren. Dann ist sie die göttlichste der Musen. Am besten natürlich: aktiv Musik machen. Schönheiterzeugen. Auswendiglernen. Einverleiben. Aus dem Sekundären aussteigen, ins Primäre kommen. Am allerbesten: zusammen mit anderen.
Neue Chancen kann nur der ergreifen, der sich dem Diktat des immer schon Durchgekauten entzieht, der offen das Neue aufnimmt, der Vertrauen in sich und andere setzt. Kreativ sein heißt: dasselbe sehen wie alle, aber etwas anderes dabei denken. Das ist nur möglich – »from a distance«.
Vertrauen in die gemeinsame Zukunft entwickeln
Es ist eine Herausforderung für viele Unternehmen, eine veränderungsbereite und -fähige Organisation zu schaffen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund einer zunehmenden Veränderungsmüdigkeit und des nach wie vor aktiven Ideals des »ungestörten Arbeitens«. Aber es hilft nichts, ungestörtes Arbeiten ist der sichere Weg ins Verderben. Wir haben bereits gesehen: Wenn Sie Ihr Unternehmen zukunftsfähig machen wollen, dann müssen Sie stören, indem Sie die Organisation prophylaktisch mit Irritation versorgen, um die Neuorganisationskräfte nicht erlahmen zu lassen. Diese Zumutungen müssen Sie plausibilisieren.
Dafür werden Sie nicht geliebt, aber vielleicht doch anerkannt. Dann nämlich, wenn die Mitarbeiter ihr langfristiges Selbstinteresse gewährleistet sehen, das heißt in der Störung einen Beitrag zur Überlebenssicherung erkennen können. Wenn die Störung als Investition in eine gemeinsame Zukunft erlebt wird. Dann können die Zumutungen, die mit bestimmten Entscheidungen und Interventionen verbunden sind, für den Einzelnen zustimmungsfähig sein. Das also ist Zukunftsfähigkeit: »Veränderungsfähigkeit + gemeinsame Zukunft«.
Jede Organisation präsentiert sich im Angesicht der Zukunft, die sie erwartet. Das kann jeder spüren, wenn er ein Unternehmen betritt – sowohl als Mitarbeiter als auch als Kunde (und auch als Berater). Erfolgreiche Führung ist an diesen Zukunftsentwurf gebunden. Die Mitarbeiter stellen nämlich permanent Fragen. Erst einmal: Hat das Unternehmen Zukunft? Was ist möglich, wahrscheinlich, sicher? Sodann: Strahlt diese Zukunft hell, oder ist dort alles grau in grau? Vielleicht sogar schwarz? Schafft die Führung es, die Zukunft des Unternehmens zu sichern? Und die wichtigste Frage: Plant sie diese Zukunft mit mir?
Lautet gerade die letzte Antwort »Nein«, dann stellt sich das Gefühl des Gemeinsame-Sache-Machens nicht ein, dann entwickelt man keine Leistungs-Partnerschaft, dann bildet man auch keine »gefühlte« Solidargemeinschaft. Loyalität setzt ein erhebliches Maß an erlebbarer Solidarität voraus. Wenn Menschen aber das Fehlen dauerhafter Kooperationsabsichten spüren, stellen sie sich darauf ein. Ein Unternehmen wird niemals das Vertrauen seiner Mitarbeiter (wieder)gewinnen, wenn es nicht überzeugend und dauerhaft demonstriert, dass es sich um die Menschen im Unternehmen sorgt.
Die Mitarbeiter müssen ihrem Führungspersonal abnehmen, dass es nicht alleine und kurzfristig seinen eigenen Vorteil verfolgt, sondern auch das langfristige Wohlergehen des Unternehmens. Dass es sich um eine Haltung handelt, und nicht um eine Inszenierung von Gemeinsamkeit; dass sie beständig ist und nicht für die nächstbessere Karrieregelegenheit geopfert wird.
Vor allem aber sind plötzliche und dramatische Downsizing-Prozesse zu vermeiden. Die Betonung liegt auf »plötzlich«. Es muss zum Tagesgeschäft gehören, Unternehmensstruktur, Marktbedingungen und Zukunftserwartungen laufend aufeinander abzustimmen, egal, ob die Erfolgskurve gerade nach oben oder nach unten zeigt. Wenn ein Unternehmen
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