Radikal führen
hingegen plötzlich einen erheblichen Teil seiner Mitarbeiter entlässt, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Management seinen Störungsauftrag nicht ernst genommen hat.
Ohne die Erwartung einer gemeinsamen Zukunft gibt es keine Identifikation und kein Vertrauen. Man setzt sich nur ein, wenn man eine gemeinsame Zeit vor sich hat. Wenn wir aber wissen, dass kein gemeinsamer Weg vor uns liegt, stirbt alles, was Bindung erzeugt. Das gilt für unser Privatleben, das gilt für unser Geschäftsleben.
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Fünfte Kernaufgabe:
Mitarbeiter führen
Über das Thema »Mitarbeiter führen« ist unendlich viel geschrieben worden. Auch ich habe mich an dieser Produktion beteiligt. Meine Thesen und Positionen sind bekannt, und ich habe sie nicht geändert. Eine Gesamtdarstellung von »Führung« aus meiner Sicht, wie ich sie in diesem Buch vornehme, ist ohne sie aber nicht vollständig. Daher habe ich die wichtigsten Aspekte hier aufgenommen und verweise Sie allenfalls für ein vertiefendes Studium auf meine früheren Bücher. Zwar lag der Bezug auf den Mitarbeiter gleichsam quer zu den bisher beschriebenen Kernaufgaben, dennoch muss diese wichtige Kernaufgabe explizit, wenngleich knapp dargestellt werden. Verzichtet habe ich allerdings auf die Trennung zwischen institutioneller und individueller Bedingung – sie schien mir hier allzu künstlich.
Wenn ich das »knapp« ernst nehme und »Mitarbeiter führen« auf eine möglichst kurze Formel bringe, so lautet sie folgendermaßen:
Finden Sie die Richtigen,
fordern Sie sie heraus,
sprechen Sie oft miteinander,
vertrauen Sie ihnen,
bezahlen Sie gut und fair
und gehen Sie dann aus dem Weg.
Jede einzelne Aussage möchte ich im Folgenden erläutern. Reduziert auf das Wesentliche.
Finden Sie die Richtigen!
Meine Erfahrung zeigt mir: Erfolgreiche Unternehmensführung ist eine Frage des Willens. Der Wunsch nach Exzellenz muss immer wieder stimuliert werden. Es ist ja nicht so, das Firmen über Nacht ihre Energie und ihren Ehrgeiz verlieren. Der Prozess ist schleichend. Vor allem in Wachstumszeiten ist Qualität bedroht. Viele scheinbar rationale Managemententscheidungen addieren sich zum Verlust an Exzellenz. Eine kleine Nachlässigkeit hier, eine Gedankenlosigkeit dort, und bald ist man Mittelmaß. Das gilt vor allem für Personalentscheidungen.
Was wir von PISA gelernt haben: Der Anfang ist das Entscheidende. Auch der Erfolg von Unternehmen steht und fällt mit der Auswahl der richtigen Mitarbeiter. Es ist klug, Zeit und Geld in die Rekrutierung zu investieren – statt hinterher in eine leer laufende Reparaturintelligenz. Personalentwicklung wird oft missbraucht, um hochgradig defizitäre Auswahlentscheidungen zu kompensieren. Im Grunde muss eine Führungskraft nur die wichtigsten Positionen mit exzellenten Leuten ihres Vertrauens besetzen. Wenn Führungskräfte scheitern, dann daran, dass sie genau das nicht oder zu spät getan haben. Aber auch Fehlbesetzungen mit anschließenden Kündigungen sind teuer: Einen Missgriff auf der Führungsebene bezahlt das Unternehmen -wirklich alle Kosten zusammengenommen – schnell mit einer sechsstelligen Summe. Die psychosozialen Kosten nicht mitgerechnet. Kurzum: Personalauswahl ist die wichtigste Managemententscheidung überhaupt. Keine Entscheidung hat langfristig einen so hohen Wirkungsgrad – im Guten wie im Schlechten.
Das weiß im Grunde jeder. Es gibt aber nur wenige erfolgskritische Aufgaben im Unternehmen, die derart unprofessionell gehandhabt werden. Da trifft man hochimpressionistische Entscheidungen, die Ähnlichkeitsmaschinerie schlägt gnadenlos zu, die eierlegende Wollmilchsau feiert fröhliche Urständ. Man entscheidet ohne klares Anforderungsprofil, überhastet, auf der Basis unzureichender Informationen und gestützt auf Interpretationen, die man für Beobachtungen hält. Der häufigste Fehler: Es werden nicht Auswahlprämissen geklärt, sondern Kandidaten; sollte sich kein geeigneter Kandidat finden, verändert man die Auswahlprämissen.
Die aus meiner Sicht wichtigsten Punkte zur Personalauswahl trage ich im Folgenden rhapsodisch zusammen. Dabei erhebe ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie reflektieren lediglich meine Praxiserfahrung. Mein Blickwinkel: Wie sieht Personalauswahl aus, wenn wir vorrangig von der Organisation her denken?
Wen suchen Sie?
Andrew Carnegie, amerikanischer Stahlindustrieller, ließ sich den Satz in den Grabstein meißeln: »Hier ruht ein Mann, der es
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