Radikal führen
reinen Frauengruppe ist ein Mann sicherlich ein belebendes Element (umgekehrt sicher auch ...). Ein branchenfremder Neueinsteiger kann ein ganzes Unternehmen in Bewegung bringen – so wie zum Beispiel der einstige Zigaretten- und Pharmamanager Thomas Ebeling den Fernsehsender ProSiebenSat1. Im Topmanagement des US-McKinsey-Headquarters fand sich lange Zeit keine Profession doppelt. Und wenn Sie in einer Abteilung 10 mal 75 Kilo »nett« sitzen haben, dann ist etwas weniger »nett« vielleicht erstrebenswert. Dieses Anderssein muss sich natürlich kommunikativ koppeln. Es muss von wechselseitigem Respekt getragen sein.
Wenn Sie Führung »aus den eigenen Reihen« rekrutieren, dann wollen Sie den Menschen vielleicht Sicherheit versprechen, Karrierechancen öffnen, Mitarbeiter binden. Oder gar die Transaktionskosten intensiven Einarbeitens sparen. Alles das ist bedenkenswert. Aber es ist doch eher defensives Management aus ruhigen, nicht-globalisierten, fast möchte man sagen: vormodernen Zeiten. Dabei dominiert der personenzentrische Ansatz. Und auch wenn Sie das für richtig halten: Frischen Wind bringt das selten.
Vielleicht fragen Sie: Welche der vier Dimensionen ist die wichtigste? Welche sollte bei Gleichstand den Ausschlag geben? Meine Antwort: Alle Dimensionen sind wichtig. Der Unterschied: Fertigkeiten kann man trainieren, Charakter nicht. Erfahrung hilft immer, und Fachkompetenz lässt sich entwickeln; aber wenn es um Einfühlungsvermögen, Kundenorientierung und Loyalität geht, dann kann man beim Versuch des Menschenveränderns nur Geld verschwenden. Also: Bei der Einstellung auf die Einstellung achten!
Kurzfristig mag ausgeprägte Fachkompetenz zwar Autorität verschaffen; langfristig ist ohne Glaubwürdigkeit und persönliche Reife aber nichts zu machen. Man sucht den besten Fachmann und ignoriert harthörig die Persönlichkeitsdefizite, die früher oder später die ganze Veranstaltung platzen lassen. Hauptsache, er ist als Fachmann gut; alles andere wird sich schon finden. Falsch! Daher mein Hinweis: Frauen interviewen anders! Sie interessieren sich mehr für die Persönlichkeit. Männer schauen vorrangig auf Fähigkeiten und Fakten. Wenn »Hired by ability, fired by personality« auch Ihrer Erfahrung entspricht, dann wissen Sie, was zu tun ist.
Bedenken Sie auch: Je höher jemand eingesetzt werden soll, desto unwichtiger ist die Fachkenntnis. Er muss das große Bild sehen und Gastgeber für gute Fachleute sein. Wenn Sie sich zum Beispiel eine Suchanzeige für eine »Leitung Sales + Marketing als Mitglied der Geschäftsleitung« anschauen, dann entspricht das Aufgabenprofil weitgehend dem eines Sachbearbeiters im selben Bereich – wenn man von ein paar sprachlichen Steigerungsformen absieht. Hat man sich durch den gängigen Fähigkeitskitsch gewühlt (flexibel, zuverlässig, belastbar, durchsetzungsstark), dann steht ganz unten in der Anzeige, kurz vor der Bewerbungsadresse, etwas von »Führungserfahrung«, die der Bewerber mitbringen muss – so als hätte man die fast vergessen. Genau die ist aber erfolgskritisch, es ist der Schwerpunkt der Aufgabe, wenn man vom Unternehmen her denkt. Der Stelleninhaber muss die Dinge zusammenführen und mit dem Unternehmen als Gesamtleistung vernetzen.
Persönlichkeit ist schwer zu erfassen – was die Notwendigkeit nur noch erhöht, hier seriös und professionell vorzugehen. Ein Beispiel, stellvertretend für viele: Hören Sie aufmerksam zu, wie der Bewerber frühere Arbeitssituationen beschreibt. Es ist ein gutes Zeichen, wenn er seine Beziehungen zu früheren Kollegen und Vorgesetzten so schildert, dass diese lebendig, farbig, atmend werden. Und es spricht für seine Loyalität, wenn er sein Weggehen von dort eben auch bedauert – selbst wenn es gute Gründe für die Trennung gab. Beschreibt er hingegen Menschen wie Schachfiguren, unpersönlich, funktional, und bleibt das Gespräch oberflächlich und generalisierend,dann spricht das nicht für sein Einfühlungsvermögen. Diesem Menschen sollten Sie nicht Ihre Kundendienst-Abteilung anvertrauen (und vielleicht auch sonst nichts).
Wie erkennen Sie die Besten?
Meine jüngsten Erfahrungen im Management eines Konzerns haben mir noch einmal vor Augen geführt, wie viel Zeit und Energie man in die Personalauswahl stecken muss, will man ein gutes Team zusammenstellen. Und dass man sich schnell und entschieden von Leuten trennen muss, die nicht ins Team passen. Auf eine Formel gebracht: »Hire slow, fre
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