Radikal führen
lassen, die Schnelligkeit von Hetze unterscheiden, die uns schauen lassen, wohin wir laufen. Der Alltagshypnose entkommen. Distanz gewinnen.
»From a distance« hieß ein Song von Julie Gold, mit dem Bette Middler im Jahr 1991 einen Grammy gewann. Im Text ging es darum, dass vieles sich verändert, wenn man es aus der Distanz betrachtet. Dass Distanz notwendig ist, um zu einem abgewogenen Urteil zu kommen. Dass viele Dinge, die uns oft so ungeheuer wichtig erscheinen, sich aus einiger Entfernung lächerlich aufgeblasen ausnehmen. Diese Relativität verliert man bei geringer Entfernung aus den Augen. Zu große Nähe verzerrt die Optik.
Das Wahrnehmen der eigenen Möglichkeiten und Verhaltensalternativen setzt voraus, dass der Dialog mit der inneren Leitinstanz gepflegt wird. Dazu bedarf es eines entspannten Feldes, in der innere Ruhe und Ausgeglichenheit erst möglich ist. Dazu bedarf es der Muße.
Muße? Das klingt stark nach »müßig«. Und wurde uns der »Müßiggang« nicht schon in der Kindheit nachhaltig ausgetrieben? Ja, aber alles, was lebt, lebt rhythmisch, sagt die Biologie. Actio und Contemplatio ergänzen sich beim Menschen als die polaren Zustände des einen Seins, der Bewegung und der Ruhe, die sich gegenseitig bedingen wie Rad und Nabe. Von vielen Managern aber hat man den Eindruck, das rhythmische Auf und Ab des Lebens sei dem ewig angespannten, ja überspannten Gleichmaß gewichen. Alle rotieren in ihren Hamsterrädern, arbeiten ohne Unterlass und hetzen von Termin zu Termin. Sie scheinen permanent von der Dringlichkeit gefordert. Zeit drückt sie als Zeitdruck; der Markt drückt sie als Marktdruck; anspruchsvolle Mitarbeiter, intrigante Kollegen und fordernde Vorgesetzte drücken sie als Konfliktdruck; die eigenen Ansprüche drücken sie als Imagedruck, als permanente Wachsamkeit, nicht zu kurz zu kommen, nicht übervorteilt zu werden, dem eigenen Größenideal zu entsprechen. Das führt zu permanenten Spannungssituationen. Aber Menschen, die fortwährend in Spannung leben, leiern aus wie Gummibänder.
Darunter leidet auch die Zukunftsfähigkeit vieler Unternehmen. Zukunft wird nicht thematisiert, weil die Führungskräfte notorisch überlastet sind. Jedenfalls ist das ihr Selbstbild. Es mag bei genauerer Prüfung nicht standhalten, es mag manche Jammerei dabei sein – und dennoch: »Perception is reality«, was wir wahrnehmen, ist für uns die Realität. Diese Wahrnehmung hat zur Konsequenz, dass wir uns nur um das Kurzfristige kümmern, nicht um das Langfristige, nur um das Dringliche, nicht um das Wichtige. Wenn Sie in dieser Mühle stecken, dann müssen Sie dort heraus. Schaffen Sie sich Freiräume für freies Denken!
Es ist dazu hilfreich, Unterbrechungen, schöpferische Pausen und Zwischenzeiten einzuziehen. Dazu müssen Sie sich zwingen, die ergeben sich nicht von selbst. In Zeiten alltagshektischer Pausenlosigkeit und Machbarkeitsfantasien, der Zeitverdichtung und des Sofortismus gilt es, Tempo rauszunehmen, wo es höhere Produktivität verspricht. Verzögerungen sind hilfreich, um das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Räder anhalten, einen Moment zur Ruhe kommen, sich besinnen und fragen, ob Sie nicht überflüssige Runden drehen oder ob einige Räder unrund laufen und nachjustiert werden müssten. Das ist keine Zeitverschwendung, sondern arbeitet ihrem Gegenteil in dialektischer Wechselwirkung zu. So wie die Verzögerung die Beschleunigung erlebbarmacht, das Nichts-Tun das Tun und die Zurückhaltung die Begeisterung.
Beachten Sie auch, dass Sie Ihre Freizeit nicht verplanen wie die Arbeitszeit; dass sie nicht aus fortdauernden Aktivitäten nach dem immer gleichen Muster besteht. Vermeiden Sie Freizeitstress nach dem Arbeitsstress. Nach der Hast: die Rast. Muße heißt: jetzt keine Ziele haben. Nichtstun. Leere zulassen. Sich treiben lassen. Kontraste setzen. Den inneren Monolog – der nach einem aufreibenden Tag für viele Führungskräfte bis in die Nachtstunden andauert – bewusst stoppen. Abschalten. Inneres Sich-lösen als Voraussetzung für wirklich Neues.
Heute liegt eine große Herausforderung für jede Führungskraft in ihrer persönlichen Bewusstseinsentwicklung zu mehr innerer Gelassenheit, zu mehr Angstfreiheit und Vertrauen zu sich selbst und anderen. Muße kann dabei auch ein Aktivsein bedeuten, das einen Kontrast schafft. So kann Entspannung auch erreicht werden mithilfe des Sports. Richtig ausgeübt. Viele Führungskräfte verstricken sich zum Beispiel
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